Charakteristisch für die vorindustrielle Epoche ist die handwerkliche Textil-Produktion in Heimarbeit. Am Webstuhl saß der Familienvater, die Frauen übernahmen das Spinnen des Garns. Ein Unternehmer, „Verleger“ genannt, lieferte den Rohstoff und organisierte den Verkauf der Produkte, vielfach schon über ... mehr
Charakteristisch für die vorindustrielle Epoche ist die handwerkliche Textil-Produktion in Heimarbeit. Am Webstuhl saß der Familienvater, die Frauen übernahmen das Spinnen des Garns. Ein Unternehmer, „Verleger“ genannt, lieferte den Rohstoff und organisierte den Verkauf der Produkte, vielfach schon über weite Entfernungen hinweg. Die Textil-Herstellung, Europas führende Industrie, war im Prinzip seit dem 16. Jahrhundert nach dem „Verlagssystem“ organisiert.
Die Vorform von Fabriken entwickelte sich im 17. Jahrhundert, als eine größere Zahl von Arbeitskräften in „Manufakturen“ konzentriert wurde: in der Textil-Herstellung, aber mehr noch in technisierten Branchen wie der Glas- oder Salzproduktion, den Hütten- und Hammerwerken. In Frankreich stellten Königliche Manufakturen in großem Stil Gobelins, Möbel und Porzellan her. Die Abläufe waren bereits arbeitsteilig organisiert und die Beschäftigten mussten strenge Disziplin halten, produzierten aber noch weitgehend in Handarbeit. Das entscheidende Element, das schließlich die gesamte Arbeitswelt auf den Kopf stellte, war die Mechanisierung.
Mit den Groß-Spinnereien in der britischen Grafschaft Lancashire, in denen ein Wasserrad rund 1000 Spindeln antreiben konnte, begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts das Fabrik-Zeitalter. Dann kam die Dampfmaschine hinzu, machte die Produktion unabhängig von Standorten an schnellfließenden Flüssen und brachte Maschinen-Spinnereien, -Webereien und bald die gesamte britische Wirtschaft gehörig in Schwung.
Von nun an diktierten Maschinen Organisation und Tempo des Arbeitsablaufs, nicht nur in der Textilfertigung: Der Ökonom Adam Smith berichtete von einer Fabrik, in der die Herstellung einer Stecknadel in 18 Arbeitsgänge unterteilt wurde. Der englische Pionier Josiah Wedgwood eröffnete 1769 bei Stoke-on-Trent die Porzellan-Fabrik „Etruria“. Während der Handwerker früher dem Weg seines Produktes gefolgt war, von der Drehscheibe über die Bemalung und das Brennen bis zur Lagerung, hatten die Arbeiter dort strikt in ihrer Abteilung zu bleiben.
Die Arbeitsteilung erhöhte die Produktivität erheblich, die Tätigkeit der Beschäftigten hingegen wurde mehr und mehr auf wenige, ständig wiederkehrende Handgriffe reduziert. Vom Produkt ihrer Arbeit, dem Stolz der Handwerker, entfremdeten sie sich. Da fachliche Kenntnisse kaum noch nötig waren, stellte man mit Vorliebe Frauen und Kinder an, die man schlechter bezahlen konnte als Männer. Die Arbeitskräfte wurden rücksichtslos ausgebeutet: In der Textil-Herstellung mussten Frauen und Kinder 14-16-Stunden–Schichten absolvieren. Auch wenn es im Lauf des 19. Jahrhunderts zu ersten sozialen Verbesserungen kam, vor allem zur Einschränkung der Kinder-Arbeit, verschärften sich diese Tendenzen mit der Einführung der Massenproduktion noch.
Schon 1797 schlug der Amerikaner Eli Whitney vor, Gewehrschlösser aus austauschbaren Teilen zu montieren, statt sie für jede Waffe einzeln zu fertigen. Durch diese Standardisierung, eine Grund-Voraussetzung der Massenproduktion, ließ sich die Produktion drastisch verbilligen und weiter beschleunigen. Austauschbare Teile setzten sich aber erst durch, als man Ende des 19. Jahrhunderts mit neuen metallenen Werkzeugen präziser arbeiten konnte als zuvor. Die Herstellung einheitlicher Qualitätswerkzeuge entwickelte sich dann zu einer eigenen Branche, dem Werkzeugmaschinenbau.
1881 begann Frederick W. Taylor in den USA, Arbeitsabläufe systematisch in ihre kleinsten Bestandteile zu zerlegen, um sie weiter zu rationalisieren. Mit seinen quantitativen Analysen begründete der „Taylorismus“ das wissenschaftliche Produktionsmanagement. Unmittelbare Folge war, dass Ingenieure die Arbeitsabläufe in den Fabriken mit der Uhr in der Hand überprüften, um die Durchlaufzeiten zu senken.
Der letzte Schritt zur Verwirklichung der Massenproduktion war die Einführung des Fließbands. Die Anfänge liegen in den Fleischhöfen von Chicago und Cincinatti, die Umsetzung realisierte Henry Ford in seinen Auto-Fabriken in Manchester und Detroit ab 1911: Während auf dem Fließband immer im gleichen Tempo das nächste Chassis heranrollte, hatte der Arbeiter bei der Montage nur noch so wenige Handgriffe zu machen, dass keine „unproduktive“ Bewegung mehr übrig blieb. Die Produktivität schnellte noch einmal dramatisch in die Höhe: Dauerte die Montage eines Chassis früher 12,5 Mann-Stunden, brauchte man 1914 nur noch 93 Mann-Minuten. So wurden Fords Autos bezahlbar für Jedermann.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichte die industrielle Produktionsweise auch die Lebensmittelherstellung. Die Kraftmaschinen, die unabhängig vom Standort Energie lieferten, lösten die Gründung großer Bäckereien und Brauereien aus, neue technische Mittel machten die Verarbeitung der Agrarprodukte zunehmend vom Zyklus der Jahreszeiten unabhängig.
Ein wichtiger Schritt war die Erfindung der künstlichen Kühlung. Der Schotte William Cullen demonstrierte 1748 erstmals, wie man der Umgebung durch Verdampfen einer Flüssigkeit Wärme entziehen kann. Durch Kompression des Kältemittels lässt sich der Wirkungsgrad des Vorgangs noch erhöhen. Es dauerte allerdings, bis aus diesen Prinzipien der erste praxistaugliche Kühlschrank entstand: Vermutlich baute ihn 1835 der Amerikaner Jacob Perkins. Rund 20 Jahre darauf führte ihn der Australier James Harrison in die Fleisch- und Brauerei-Industrien ein.
Bierproduktion wurde dadurch auch im Sommer im großen Stil möglich. Zur gleichen Zeit lernte man, mithilfe des Thermometers die Temperatur der Maische und mit dem Saccharometer den Gehalt an Stammwürze zu kontrollieren: eine Verwissenschaftlichung, die für die gesamte Lebensmittelherstellung charakteristisch war.
Ein weiterer Schritt war die Haltbarmachung. Dass Lebensmittel länger genießbar bleiben, wenn sie bei einer bestimmten Temperatur längere Zeit in einem geschlossenen Behälter erhitzt werden, hatte 1809 der Franzose Nicolas Appert erkannt, der Napoleons Armeen versorgen sollte. Dass sich Dosen aus Eisenblech am besten dafür eignen, fand sein britischer Kollege Peter Durand heraus. Doch erst 1863 entdeckte der Wissenschaftler Louis Pasteur die Mikroben, die bei der Erhitzung abgetötet werden. Die Konservendosen-Produktion breitete sich vor allem in den USA rasch aus und die Vereinigten Staaten wurden bald zum Marktführer.
Auch die Haltbarmachung von Milch geht auf den Bedarf des Militärs zurück: Während des amerikanischen Bürgerkriegs in den 1860er Jahren entwickelte Gail Borden die Kondensmilch. Eine Schweizer Firma brachte sie auf die europäischen Märkte, fusionierte aber bald mit dem Unternehmen von Henri Nestlé, dem Erfinder der Babynahrung, so dass sie unter seinem Namen schließlich berühmt wurde.
In der Milchproduktion entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts die neue Unternehmensform der Genossenschaft: Vor allem in den Niederlanden, in Skandinavien und Norddeutschland schlossen sich Milch-Bauern zusammen, um ihre Waren gemeinsam zu vermarkten. In genossenschaftlich betriebenen Molkereien produzierten sie Butter oder Käse zu einheitlichen Standards und erschlossen sich größere Märkte, bis über die Landesgrenzen hinweg. Die Standardisierung von Lebensmitteln, mit zunehmender Unabhängigkeit vom Zeitpunkt und der Region der Herstellung, wird bis heute weitergetrieben.
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