ZUR GESCHICHTE DES BIERBRAUENS

Bier ist seit der Antike ein Genusselement der sozialen Interaktion, und diese Tatsache spiegelt sich natürlich in der Kulturlandschaft Europas wider. Im Frühmittelalter waren es vor allem die Klöster, in denen das Bier in großen Mengen gebraut wurde, und die Überreste der Bierproduktion sind in einigen Klöstern tatsächlich noch heute zu finden. Später, im Zuge der Gründung von Königsstädten im ausgehenden Mittelalter, entwickelten sich nach und nach königliche und bürgerliche Brauereien sowie Aktienbrauereien. Die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts war aus verschiedenen Gründen das goldene Zeitalter des Bieres. Eine wichtige Rolle spielte die damals moderne, etwa von Louis Pasteur beschriebene Brautechnik, die dank Bierfilterung und -pasteurisierung dazu beitrug, sowohl die Qualität als auch die Eigenschaften des Bieres dauerhaft zu gewährleisten. Zu dieser Zeit entstanden große Brauereien wie die 1759 ins Leben gerufene Guinness-Brauerei mit dem Ziel, große Mengen an Bier zu brauen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Gründung der Bürgerbrauerei in Pilsen (heute Pilsner Urquellbrauerei) im Jahr 1842, aus der die gesamte Bierkategorie der untergärigen Biere hervorging, die als Pils, Pilsner oder Pilsener bekannt ist. Im 19. Jahrhundert konzentrierte sich die Bierproduktion zunehmend auf größere Brauereien, die die europäische Industrielandschaft bis heute bereichern. Einige der ältesten industriellen Brauereikomplexe existieren heute noch, auch wenn nicht alle ihre ursprüngliche Funktion beibehalten haben. Die Mehrheit der Brauereien befindet sich in Deutschland, Tschechien, Österreich, Belgien, den Niederlanden, Polen, Großbritannien und Irland – sämtlich Länder, deren Bierproduktion und -konsum bis heute Spitzenwerte erreicht. Europa kennt aber nicht nur Brauereien, sondern auch ausgedehnte Hopfenfelder, die der Landschaft einen sehr interessanten und spezifischen Charakter verleihen.

Die Geschichte des Bieres

Mesopotamien, das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, gilt als die Region, die der Welt das Bier schenkte. Bereits um 7.000 v. Chr. bauten dort Sumerer, Akkadier, Babylonier und Assyrer Getreide an. Vermutlich geht die Entdeckung des Biers auf einen Zufall zurück: In einige der Tongefäße, in denen seinerzeit das Getreide gelagert wurde, gelangte Wasser, das den Gärungsprozess in Gang setzte. Das so entstandene allererste "Bier" ähnelte allerdings wohl eher Wasser mit einem angenehm berauschenden Geschmack. Später machte man sich diesen Zufall zu eigen und nutzte Getreide zur Erzeugung fermentierter Getränke. Die Sumerer nannten diese Art von Bier Kasch, bei den Babyloniern hieß es Schikarum.

Im Gegensatz zur heutigen Praxis verwendeten die Sumerer bei der Herstellung von Kasch keinen Hopfen (, der damals noch nicht bekannt war). Stattdessen vergoren sie Gerstenbrot und Malz in einem großen Krug. Ohne Hopfen fehlte dem Kasch der bittere Geschmack. Der wurde in der Regel durch andere Zutaten erzeugt. Dazu gehörte in heißer Asche geröstetes Brot, ergänzt um grüne Senfkörner oder Sesam.

Nach der Entdeckung der Malzgärung entstanden viele Biersorten, die sich in Farbe und Geschmack unterschieden. Um 3.000 v. Chr. war der Biergenuss ein weit verbreiteter Brauch. Da es noch nicht üblich war, das Bier zu filtern, trübten große Mengen an Feststoffpartikeln das fertige Gebräu ein. Deshalb schlürfte man Bier durch einen Getreidestrohhalm. Eintausend Jahre später erwähnt der Kodex von Hammurabi aus dem Jahr 2.000 v. Chr. erstmals öffentliche Einrichtungen, die Bier zum Verkauf boten. Derselbe Kodex sieht unter anderem auch Strafen für unehrliche Wirte vor.

Weitere Aufzeichnungen über die Bierherstellung stammen aus dem alten Ägypten – einem Land, das einigen als die eigentliche Wiege des Bieres gilt. Für den Brauprozess verwendeten die Ägypter Gerste zur Herstellung von Malz sowie verschiedene Weizenarten als Hopfenersatz. Das Fehlen von Hopfen verlieh dem Bier einen eher süßlichen Geschmack. In der Antike zeigten die Menschen wenig Interesse an Bier, da im Mittelmeerraum der Wein dominierte, während in den von den Kelten bewohnten Gebieten Europas Met beliebt war. Doch die germanischen Stämme bevorzugten weiterhin Bier und stellten es auch selber her. Weit verbreitet war Bier auch im Herrschaftsgebiet der Wikinger in Nordeuropa. Dort tranken die Menschen das Bier gerne warm. Gleichzeitig entdeckten sie eine Methode, um die Wirkung des Biers zu erhöhen: Sie ließen es gefrieren und erreichten durch die unterschiedlichen Schmelzpunkte von Wasser und Ethanol, dass der Alkoholgehalt im Bier stieg und es dadurch stärker wurde. Vermutlich entsprach der Alkoholgehalt des damaligen Bieres dem der heutigen Lagerbiere.

Die Gründung neuer Königsstädte im 13. Jahrhundert, die eine Reihe von Privilegien genossen, verschaffte der Braukunst neue Impulse. Die gleichen Privilegien erhielten später Städte, die auf Adelsgeschlechter zurückgehen. Im 14. und 15. Jahrhundert brachten zu Ansehen und Wohlstand gelangte Bürger gemeinsam Geld für die Gründung von Stadtbrauereien auf. Gegen Ende des Mittelalters und in der Mitte des 16. Jahrhunderts erwiesen sich einerseits die Brauerein in adliger Hand als produktiv, während gleichzeitig die Bierproduktion in den Klosterbrauereien, die weniger anfällig für politische oder wirtschaftliche Veränderungen waren, fortdauerte und sogar expandierte. Dort begann auch der Hopfenanbau und die Verwendung des Hopfens als Zutat beim Brauen.

Im 19. Jahrhundert erlangte Bier große Popularität, weil Wein – der Hauptkonkurrent – aufgrund eines Schädlingsbefalls der Weinberge durch Phylloxera kaum noch lieferbar war. Gleichzeitig führten die wachsenden Kenntnisse in Bezug auf die Bierherstellung allgemein und die Gärung und Filterung im Besonderen zu einer Ausweitung der Bierproduktion. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann das goldene Zeitalter der Braukunst. Damals entstanden viele bedeutende Brauereien, die bis heute existieren. Große Brauereien gruben kleineren Braubetrieben das Wasser ab und übernahmen bei der Bierproduktion die führende Rolle.

Der Zweite Weltkrieg war eine Katastrophe für die Brauindustrie. Während des Krieges unterbrachen viele Brauereien die Produktion oder begannen Biersorten mit niedrigem Stammwürzegehalt zu brauen. Leider nahm eine ganze Reihe von Brauereien den Betrieb nach dem Krieg nicht wieder auf. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann dieser Trend sich umzukehren, und das hat sich bis heute fortgesetzt. Die Verbraucher suchen geschmackliche Vielfalt, sie wollen neue Biere und neue, interessante Geschmacksrichtungen ausprobieren. Das in Industriebrauereien produzierte Bier erfreut sich einer geringeren Beliebtheit als dasjenige aus Kleinbrauereien, deren Zahl signifikant gestiegen ist. Am deutlichsten zeigt sich dieser Trend in Großbritannien. Zugleich spiegelt sich auch in der Kategorie Bier die Tendenz der Verbraucher wider, gesund zu leben. Das äußert sich in einem erhöten Absatz alkoholfreier Biere, alkoholarmer Biermischgetränke wie Radler sowie aromatisierter Biere.
 


Diese Themeroute wurde gemeinsam mit dem ERIH-Ankerpunkt Pilsner Urquell Brauerei und Brauereimuseum in Pilsen (CZ) entwickelt.