ZUR GESCHICHTE DES TRANSPORTS
Die Industrielle Revolution bewirkte frühzeitig einen radikalen Wandel des Transportwesens – und danach trieben die neuen, stampfenden Dampfschiffe und dampfenden Lokomotiven wieder die Industrialisierung voran. Der Wandel begann bei den Wasserstraßen, die sich seit Jahrhunderten im Gütertransport am besten bewährt hatten. Im britischen Textilrevier Lancashire, einer der Geburtsstätten des Industriezeitalters, wurde 1761 der Bridgewater-Kanal fertig gestellt, der das boomende Manchester mit Kohle versorgte. Rasch folgten weitere Kanäle, durch die Brennstoff für Textilfabriken und Eisenhütten in alle bedeutenden britischen Städte gelangte.
Die Revolution im Transportwesen löste die Dampfmaschine aus: Erste Versuche gehen bis 1690 zurück, als der französische Physiker Denis Papin bereits ein dampfgetriebenes Boot mit Schaufelrädern entwarf. Erst hundert Jahre später fanden sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien praktische Versuche statt, und schließlich baute der Amerikaner Robert Fulton das erste Dampfschiff, noch bevor die erste Lokomotive rollte: Die „Clermont“, ein flachgehendes Schiff mit zwei riesigen Schaufelrädern und einer Dampfmaschine, fuhr 1807 auf dem Hudson River.
1827 erhielt der österreichische Forstmeister Joseph Ressel ein Patent auf die Erfindung der Schiffsschraube. Sie setzte sich durch, nachdem die „Great Britain“ 1845 den Atlantik überquert hatte, angetrieben von einer rund 5 Meter hohen Schraube. Zugleich hörte man allmählich auf, Schiffe aus Holz zu bauen: Eiserne Rümpfe erwiesen sich als billiger, konnten mehr Ladung aufnehmen und widerstanden rauer See besser. Der Eisenverhüttung eröffnete sich dadurch ein gigantischer neuer Markt.
Der andere große Schub für die Industrialisierung ging von den Eisenbahnen aus. Ihre Anfänge liegen im Bergbau, wo die Förderwagen schon lange auf hölzernen Schienen liefen. Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts fuhren Pferdebahnen auf komplett eisernen Schienen, auch über Tage. Den ersten Dampf-Antrieb für einen Wagen realisierte der französische Artillerieoffizier Nicholas Cugnot um 1770, der Brite Richard Trevithick folgte: Er setzte sein Gefährt jedoch auf Schienen und 1803 rollte in Coalbrookdale die erste Gruben-Lokomotive. George Stephenson entwickelte daraus das klassische Modell der Dampflok: Hinten arbeiten Lokführer und Heizer, vor ihnen liegt ein großer Dampfkessel, darin eine Vielzahl horizontaler Heizrohre, mit dem Rauchabzug am vorderen Ende. Darunter sind beidseitig Dampfzylinder und Kolben angeordnet, die direkt auf die Räder wirken.
Stephenson baute 1825 in England auch die erste Bahnstrecke. Dann wurde die Strecke Manchester-Liverpool freigegeben, die neue Schlagader für die Baumwollindustrie, und der Bahn-Bauboom mündete in ein explosionsartiges Wachstum der gesamten britischen Wirtschaft.
Als die „Eisenbahn-Manie“ abebbte, setzte die Entwicklung neuer Kraftmaschinen ein, die schließlich zur Revolutionierung des Straßenverkehrs führte – nun aber vorrangig auf dem Kontinent und in den USA. Die Erfinder setzten bei den Nachteilen der Dampfmaschine an: Sie verlor viel Energie, weil der Dampf im Kessel erzeugt, aber getrennt davon, im Arbeitszylinder, genutzt wurde. Man erprobte daher Maschinen, bei denen die Verbrennung direkt im Arbeitszylinder stattfand. Als Brennstoff bot sich das Gas aus Steinkohle an, das vielerorts für die Beleuchtung verwendet wurde. Die erste praxistaugliche Gasmaschine baute 1859 der Luxemburger Étienne Lenoir: Er ließ eine explosive Gas-Luft-Mischung in einen liegenden Zylinder einblasen, wechselweise links und rechts des Kolbens, und mit einem elektrischen Funken zünden. Da sowohl die mechanische Belastung als auch der Verbrauch sehr hoch waren, setzte sich jedoch erst die Verbrennungskraftmaschine des deutschen Kaufmanns Nicolaus August Otto von 1876 durch.
Ottos epochemachende Idee war das Viertakt-Prinzip: Im ersten Takt saugt der Kolben ein Gas-Luft-Gemisch in den Zylinder hinein, im zweiten fährt er nach oben und verdichtet das Gemisch. Es folgt eine elektrische Zündung und das expandierende Gas treibt den Kolben im dritten, dem Arbeits-Takt, nach unten. Im vierten Takt steigt der Kolben wieder hoch und schiebt das Abgas aus dem Zylinder hinaus.
Höhere Effizienz erreicht jedoch die Kraftmaschine des deutschen Maschinenbauers Rudolf Diesel, der auf die thermodynamischen Überlegungen des französischen Physikers Sadi Carnot aufbaute. Sein Motor saugt reine Luft in den Zylinder, die höher verdichtet werden kann als ein Gemisch und sich dabei stark erhitzt. Erst danach wird der Brennstoff eingespritzt. Bei der hohen Temperatur entzündet er sich selbst und treibt dann wie im Otto-Motor den Kolben an. Diese Maschine, 1897 vorgestellt, erwies sich als langlebig und sparsam. Man konnte damit auch Leistungen von mehreren tausend PS erzielen, so dass sie die Dampfmaschinen in kleinen Kraftwerken ersetzte und bald auch in Schiffe eingebaut wurde. Die hohe Verdichtung verlangte allerdings eine robuste Bauweise, so dass der Motor für Lokomotiven und Automobile lange zu schwer war.
In den 1870er Jahren erkannte man, dass Erdöl-Produkte in Kraftmaschinen als Brennstoff dienen können, weil sie sich gut vergasen lassen: die schweren Öl-Anteile in Dieselmotoren, die leichten in Ottomotoren. Mit dieser Alternative zum Kohle-Gas war man nicht mehr an einen stationären Gasanschluss gebunden: Dem Siegeszug neuer, mobiler Verbrennungskraftmaschinen stand nichts mehr im Wege.
Ottos Viertakt-Motor wurde erstmals 1885 für die Fortbewegung genutzt: in einem dreirädrigen Wagen des Mannheimer Konstrukteurs Carl Benz und einem hölzernen Motor-Rad von Gottfried Daimler und Wilhelm Maybach. Diese beiden deutschen Ingenieure stellten im Folgejahr das erste Automobil mit vier Rädern vor, das sie aus einer Kutsche entwickelt hatten. Es wurde von einem Einzylindermotor mit 0,5 Litern Hubraum und einer Leistung von 1,5 PS angetrieben. Die Gefährte setzten sich auf dem französischen Markt durch, denn dort übernahmen große Maschinenbau- und Montagebetriebe die Auto-Produktion: Dank Herstellern wie Peugeot, Panhard & Levassor und Renault kam es zur Jahrhundertwende in Frankreich zum ersten Auto-Boom.
Verbesserungen machten das Autofahren bald komfortabler: 1888 der Luftreifen, von dem irischen Tierarzt John Boyd Dunlop zuerst für Fahrräder entwickelt, 1902 die Zündkerzen der deutschen Firma Robert Bosch und 1911 in den USA der elektrische Anlasser. Als zukunftsweisendes Beispiel für einen Kraftwagen gilt Maybachs „Mercedes“ von 1901: Eine Vier-Zylinder-Viertakt-Maschine mit 35 PS konnte ihn bereits auf 72 km/h beschleunigen.
Die Auto-Produktion hatte sich in den Industrieländern bereits zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig gemausert, als Henry Ford den Massenmarkt erschloss. Er ließ gezielt ein preiswertes und alltagstaugliches Auto für die Farmer im amerikanischen Westen bauen: den Ford T. Mit den rasant steigenden Verkaufszahlen ging eine Revolution in der Produktionsweise einher: Schon 1911 hatte die Serienfertigung in der britischen Ford-Niederlassung in Manchester begonnen, ab 1914 wurde in der gesamten Ford-Fabrik in Detroit am Fließband gearbeitet.
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