ZUR GESCHICHTE DER ENERGIEERZEUGUNG
Wasser und Wind lieferten die Antriebsenergie für eine Vielfalt von Maschinen, vom Mittelalter bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Im flachen Nordwesteuropa dominierte die Windmühle. Rund tausend Mühlen standen im 18. Jahrhundert am Fluss Zaan, nahe der Handelsmetropole Amsterdam. Sie verarbeiteten Holz, Mehl oder Papier und nicht zuletzt Rohstoffe aus Übersee wie Tabak und Kakao. Die Region um Zaandam gilt daher als eines der frühen europäischen Industriegebiete. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts baute man an die Mühlen ein kleines Windrad an, das die Flügel automatisch in die Windrichtung drehte. Ende des Jahrhunderts fand ein englischer Ingenieur einen Mechanismus zur Anpassung an die Windstärke: Er teilte die Flügel in jalousie-artige Segmente auf, die nach Bedarf weiter geöffnet oder geschlossen wurden.
Damals drehten sich in Europa mehr als 500.000 Wasserräder. Sie trieben alle Arten Arbeitsmaschinen: Papier-, Öl- oder Sägemühlen und Hämmer in den Schmieden. Später lieferten riesige Hochleistungsräder, teils aus Eisen gefertigt, auch die Energie für die großen Textilfabriken und Eisenhütten. Wo wenig Wasser vorhanden war, erwiesen sich horizontale Wasserräder als vorteilhaft - und daraus entstand die entscheidende Innovation: 1833 erfand der französische Ingenieur Benoit Fourneyron die Wasserturbine. Sie ist effizienter, denn das Wasser strömt entlang der Achse zu und trifft nicht auf eine Schaufel nach der anderen auf wie beim Wasserrad, sondern auf mehrere zugleich.
Verbesserungen kamen vor allem aus den wasserreichen Landschaften der USA. Im Textilzentrum Lowell entstand die Francis-Turbine, nach ihrem Erfinder benannt, die über bewegliche Schaufeln verfügt und besser auf wechselnde Wassermengen reagiert. Sehr hohe Drehzahlen erreichte schließlich der Amerikaner Lester Pelton, indem er die konzentrierte Energie eines Wasserstrahls auf die Turbinenschaufeln lenkte. Seine Turbine setzt man heute vor allem in Kraftwerken im Gebirge ein, wo die Fallhöhe der Gewässer ausgenutzt werden kann.
Erst ab 1870 wurden Antriebe durch Wasserkraft mehr und mehr von der Dampfmaschine verdrängt. Die Vorgeschichte dieser Jahrhundert-Erfindung ist lang: Das erste einsatzfähige Exemplar, gebaut von Thomas Newcomen, wurde 1712 in einer Kohlegrube bei Wolverhampton zum Abpumpen des Grubenwassers verwendet. Newcomen ließ unten in einen Zylinder heißen Dampf einblasen, so dass er einen Kolben in die Höhe trieb. Dann spritzte man kaltes Wasser in den Zylinder, der Dampf kondensierte und ein Vakuum entstand. Folge: Der Kolben wurde vom Druck der Außenluft wieder hinunter gepresst.
Da der Zylinder abwechselnd durch Dampf erhitzt und mit Wasser gekühlt wurde, hatte die Maschine hohe Energieverluste und brauchte viel Brennstoff. Hier setzte die Verbesserung an, mit der James Watt 1769 Geschichte machte. Er trennte Dampf-Kondensator und Zylinder: So konnte er jenen ständig kalt, diesen aber immer heiß halten und Brennstoff einsparen. Als nächstes setzte er die Auf- und Ab-Bewegung mithilfe eines Getriebes in eine Rotation um, doch mit der kontinuierlichen Kreisbewegung großer Wasserräder konnte die Dampfmaschine noch nicht konkurrieren. Watt baute sie so um, dass der Dampf den Kolben in beide Richtungen trieb: Er ließ Dampf nicht nur unten in den Zylinder ein, um den Kolben in die Höhe zu treiben, sondern im nächsten Schritt auch oben, um ihn wieder hinunterzudrücken – Ergebnis war eine wesentlich gleichmäßigere Bewegung.
Ab 1785 lieferte die Fabrik von Boulton & Watt „doppeltwirkende" Dampfmaschinen aus: Den ersten konkurrenzfähigen Universalmotor, unabhängig von der Versorgung mit Wasser oder Wind, also für jeden Standort geeignet. Die Dampfmaschine gilt daher als Mutter der Industriestädte, in denen nun Fabriken aus dem Boden schossen. Ihren Siegeszug trat sie in der boomenden Textilindustrie an, dann folgten Kohlenbergbau und Eisenhütten.
Eine grundlegende Weiterentwicklung gelang erst rund hundert Jahre später, erneut in Großbritannien: Charles Parsons leitete den Dampf auf die Blätter eines Rotors, so dass die Energie direkt in eine sehr schnelle Kreisbewegung umgesetzt wurde. Die Dampfturbine von 1884 gilt bis heute als ideal für die Erzeugung von Elektrizität – nur in bergigen Regionen sind Wasserturbinen effizienter.
Elektrische Energie spielte erst ab den 1880er Jahren eine größere Rolle, doch die grundlegende Erkennisse gehen schon auf die erste Hälfte des Jahrhunderts zurück. Damals fand der Brite Michael Faraday heraus, dass in einer Drahtspule ein Stromfluss ausgelöst wird, wenn man sie zwischen den Polen eines starken Magneten dreht. Das war das Prinzip des Generators, damals „Dynamo" genannt, der mechanische Energie in elektrische umsetzt. Anwendungsreif wurde die Entdeckung, als mehrere Experimentatoren darauf kamen, dass man das Magnetfeld allein mithilfe des erzeugten Stromes aufrecht erhalten kann, ohne zusätzliche, äußere Stromquelle.
Nach diesem „dynamo-elektrischen Prinzip" bauten Firmen wie Siemens & Halske in Berlin oder der Belgier Théophile Gramme in Frankreich dann Dynamomaschinen, unter anderem für den Betrieb von Bogenlampen, in denen ein Lichtbogen zwischen zwei Kohleelektroden sehr helles Licht erzeugt. Größerer Bedarf an elektrischer Energie entstand aber erst mit Thomas Alva Edisons Glühlampen.
Der Amerikaner fand heraus, dass verkohlte Bambusfasern in einer gläsernen Hülle nicht verbrennen, sondern dauerhaft glühen - später nahm man dann Kohlefäden, heute Wolframdrähte. Edison, mehr Manager als Erfinder, hatte immer den Markt im Blick: Er lieferte nicht nur die Glühlampen, sondern plante auch das Kraftwerk und die Verteilernetze. 1882 eröffnete er eine Elektrizitätszentrale in New York, die europäischen Länder folgten, Deutschland zum Beispiel mit der Deutschen Edison-Gesellschaft DEG, aus der bald die AEG wurde.
Edisons schärfste Konkurrenz war das Gaslicht, denn alle Industriestaaten besaßen bereits ein Gas-Versorgungsnetz. Man verwendete Gas, das aus Kohle hergestellt wurde, zur Beleuchtung, später auch zum Heizen und Kochen im Haushalt. Obwohl sich für den privaten Gebrauch das elektrische Licht durchsetzte, blieb das Gaswerk noch für rund hundert Jahre in praktisch jeder Gemeinde unverzichtbar.
Ab der Wende zum 20. Jahrhundert stellte sich die Industrie schließlich von Dampfkraft auf Strom um: Damit begann endgültig der Siegeszug der Elektrizität. Da man sie hauptsächlich mit Dampfturbinen erzeugte, blieb Kohle die wichtigste Energiequelle – bis zum Aufstieg der Öl-Industrie.
Schon vor Mitte des 19. Jahrhunderts gewann man aus Ölquellen in Galizien und Baku, im Elsass und auf Sizilien Petroleum zur Verbrennung in Lampen. 1840 eröffnete in Rumänien eine Raffinerie, 1859 eine in Polen. Besonders groß war die Petroleum-Nachfrage im Westen der USA, wo die neuen Siedler keine Gas-Versorgung vorfanden. Nachdem Edward Drake 1859 in Pennsylvania eine Ölquelle angebohrt hatte, expandierte die Öl-Industrie rapide, auch in Europa. Petroleum wurde weiterhin für die Beleuchtung gebraucht und die Erfindung der Verbrennungskraftmaschinen gegen Ende des Jahrhunderts eröffnete neue Einsatzfelder für die anderen Bestandteile des Erdöls: das Benzin und den Diesel.