Zwei Schritte führen vom Eisenerz zu Eisen und Stahl, den Schlüssel-Werkstoffen des Industriezeitalters: Das Schmelzen der Erze im Hochofen, „Verhütten" genannt, ergibt Roheisen; das „Frischen" des Roheisens im Feuer ergibt danach Schmiedeeisen oder Stahl. Beide Schritte hängen vom Brennstoff ab: Die ... mehr
Zwei Schritte führen vom Eisenerz zu Eisen und Stahl, den Schlüssel-Werkstoffen des Industriezeitalters: Das Schmelzen der Erze im Hochofen, „Verhütten" genannt, ergibt Roheisen; das „Frischen" des Roheisens im Feuer ergibt danach Schmiedeeisen oder Stahl. Beide Schritte hängen vom Brennstoff ab: Die natürliche Steinkohle eignet sich für die Eisen-Erzeugung nicht, weil ihre Spurenelemente, vor allem der Schwefel, das Metall verderben. Lange benutzte man in Verhüttungsöfen und Schmiedefeuern daher Holzkohle, doch Anfang des 18. Jahrhunderts war das Brennholz knapp und teuer geworden. Da griff Abraham Darby, Hüttenbesitzer in der kohlereichen Grafschaft Shrophire in Mittelengland, auf einen Brennstoff zurück, den er aus der Mälzerei kannte: Er ließ Steinkohle unter Luftabschluss verkoken. Dabei entweicht ein Großteil der störenden Spurenelemente. Mit dem Koks, der übrig blieb, konnte Darby im Hochofen von Coalbrookdale ab 1709 Eisen verhütten.
Ein entscheidender Schritt war gemacht, doch bis sich der neue Brennstoff durchsetzte, dauerte es noch viele Jahrzehnte: Da der Koks-Verbrauch sehr hoch war, rechnete sich nur die Massenproduktion in großen Hochöfen. Dafür fehlten aber die technischen Voraussetzungen, vor allem leistungsstarke Gebläse.
Die Steinkohle revolutionierte bald auch das Frischen. Der zweite Schritt der Eisen-Erzeugung ist nötig, weil das Roheisen aus dem Hochofen noch einen sehr hohen Kohlenstoff-Gehalt hat. Es lässt sich zwar gießen, ist aber zu spröde zum Schmieden oder Walzen. Im Frisch-Feuer wird der Kohlenstoff unter hohen Temperaturen verbrannt und man bekommt ein vielseitig einsetzbares Eisen. Dabei darf das Roheisen aber keinesfalls mit dem Koks in Berührung kommen, der immer noch schädliche Elemente enthält. Benjamin Huntsman fand 1740 in Sheffield eine Lösung: Er füllte das Roheisen in geschlossene Tiegel, die in einem Koks-Ofen erhitzt wurden. Das Erzeugnis gilt bereits als Stahl – später wurde festgelegt, dass Stahl nicht mehr als 1,6% Kohlenstoff enthalten darf. Der harte Tiegelstahl war für viele Jahrzehnte als hochwertiger Grundstoff sehr gefragt, und in der Region um Sheffield bildete sich ein Zentrum der Eisen-Industrie.
Eine Alternative entwickelte Henry Cort 1784: Er ließ Roheisen auf einem halboffenen Ofen frischen, auf dem es durch eine niedrige Wand von der brennenden Kohle getrennt war. Nur die heiße Verbrennungsluft wurde über das Roheisen geleitet und erhitzte es, zugleich rührte ein Arbeiter es mit einer langen Stange um, so dass es seinen Kohlenstoff an die Luft abgab. Ergebnis des „Puddelns" war ein hochbelastbares Eisen, aus dem man sowohl Waffen als auch Pflüge schmiedete. Unter schweren Walzen, ebenfalls von Cort erfunden, ließ es sich auch zu Blechen, Rohren und Eisenbahnschienen umformen. Nun verdrängte Eisen das Holz, den traditionellen Universal-Werkstoff. Auf den Kohlevorkommen in Shropshire und Staffordshire, im Süden Schottlands und in Wales wuchsen die Schlote und Öfen der Hüttenwerke in den Himmel. An der Wende zum 19. Jahrhundert war Großbritannien zum weltgrößten Eisenerzeuger geworden.
Nicht zuletzt aus Furcht, in der Waffenproduktion zurückzufallen, engagierte sich nun die französische Regierung in der Eisenerzeugung. Sie warb britische Fachleute ab und gründete in den 1780er Jahren die Königlichen Gießereien in Le Creusot im Burgund: Ähnlich wie bei den Glaswerken von Creusot oder der älteren Saline in Arc et Senans spiegelte sich in der symmetrisch aufgebauten Anlage die zentralisische Industriepolitik des französischen Staates.
Das Niveau der britischen Industrie erreichten andere europäische Regionen erst im 19.Jahrhundert: Das belgische Eisenrevier an Sambre und Maas erlebte einen Aufschwung, als 1827 in Charleroi der erste Kokshochofen angeblasen wurde. Die Anfänge der deutschen Eisenindustrie liegen in Oberschlesien und an der Saar, daneben standen vereinzelte Werke im Ackerland, etwa in Wetter an der Ruhr oder in Rasselstein bei Neuwied. Erst nach der Zollunion von 1834 geriet die deutsche Wirtschaft in Bewegung. An der Ruhr entstand in wenigen Jahrzehnten eine dichtbebaute Industrielandschaft mit Fördertürmen, Hochöfen und Arbeitersiedlungen.
1828 gelang dem Schotten James Beaumont Neilson schließlich die letzte, entscheidende Verbesserung des Kokshochofens: Durch das Einblasen heißer Luft ließ sich der Koksverbrauch drastisch senken. In den folgenden Jahren explodierte die Produktion: 1850 erzeugte Großbritannien gut zehn Mal so viel Roheisen wie zu Beginn des Jahrhunderts, um 1900 mehr als dreißig Mal so viel.
Im „Eisen-Boom" ließ der nächste technische Fortschritt nicht lange auf sich warten: Henry Bessemer, wieder ein Brite, erfand 1856 ein birnenförmiges, geschlossenes Gefäß zum Eisen-Frischen, das innen mit Silizium ausgekleidet war. Füllte man Roheisen hinein und blies Luft hindurch, kam es in der „Bessemer-Birne" zu einer spektakulären Reaktion: Das Silizium verbrannte, erhitzte das glühende Eisen und entzog ihm fast vollständig den Kohlenstoff, ohne dass von außen noch Brennstoff zugeführt werden musste. Ergebnis war „Bessemer-Stahl" von hoher Qualität, aus dem Kanonen gegossen, Eisenbahnschienen gewalzt und Messer geschmiedet wurden.
Beinahe zeitgleich entwickelten Konkurrenten – jetzt auf dem Kontinent - wieder eine Alternative für den offenen Frisch-Ofen. Wilhelm Siemens nutzte in seinem „Regenerativ-Ofen" die Wärme der Abgase, um die Verbrennungsluft zum Erhitzen des Roheisens zusätzlich aufzuheizen. So konnte man das Eisen unter höheren Temperaturen aufschmelzen als je zuvor und sparte zugleich Brennstoff. Der französische Eisenhüttenbesitzer Pierre Martin machte das Verfahren 1864 einsatzreif. Der Siemens-Martin-Ofen erzeugte Spitzenstähle, wie sie etwa für Schiffsbleche gebraucht wurden, und galt für viele Jahrzehnte als Optimum in der Stahl-Herstellung.
Probleme bereitete aber die Verarbeitung schlechterer Eisenerze, die Phosphor enthielten. 1879 fand der Chemiker Sidney Gilchrist Thomas eine Lösung: Er ließ die Bessemer-Birne mit einem basischen Material auskleiden, das den Phosphor neutralisierte. Nun konnte man zum Beispiel die Eisenerze Lothringens nutzen, vor allem aber profitierte das Ruhrgebiet. Aus minderwertigen Stählen erzeugte man dort massenhaft Draht, Rohre und Baustahl, sogar Eisenbahnschienen.
Ebenfalls im Jahr 1879 gelang Wilhelm Siemens eine weitere Verbesserung: Im Elektrostahlofen ließen sich problemlos sehr hohe Temperaturen erzeugen. Allerdings war die elektrische Energie teurer als der Koks. Daher nutzte man das Verfahren anfangs nur für hoch-belastbare Stähle, die mit Chrom, Nickel oder Wolfram legiert wurden: Ein Werkstoff für große Wellen, Schiffsschrauben, Panzerplatten und Werkzeuge des Maschinenbaus. In Mengen wurde Elektrostahl erst ab der Zeit des Ersten Weltkriegs produziert. Da war Großbritannien, das Mutterland der Industrialisierung, in der Stahl-Erzeugung schließlich von den USA und Deutschland überholt worden.
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