ZUR INDUSTRIEGESCHICHTE DER SLOWAKEI

Die Slowakei hat eine große Tradition im Bergbau, blieb aber bis weit ins 20. Jahrhundert ein Agrarstaat. Seine beste Zeit erlebte das slowakische Montanwesen im Späten Mittelalter: Gold, Silber und Kupfer aus den Bergwerken rund um das Slowakische Erzgebirge garantierten den ungarischen Königen – die die Slowakei bis 1918 regierten – Macht und Reichtum. Damals blühten Städte wie Banská Štiavnica (deutsch Schemnitz), wo in vorchristlicher Zeit schon Kelten die Edelmetalle abgebaut haben, oder die „Goldstadt“ Kremnica (Kremnitz), deren traditionsreiche Münzprägeanstalt bis heute in Betrieb ist. Rožňava (Rosenau) wurde im 14. Jahrhundert wegen seiner Gold-, Silber-und Kupferminen zur Stadt erhoben, später florierte dort der Eisenerzabbau. Mit zunehmenden technischen Problemen untertage und der Konkurrenz südamerikanischer Edelmetalle schwand ab dem 16. Jahrhundert die Bedeutung dieser Montanregion.

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde Ungarn Teil des Habsburger-Imperiums und die  Wiener Monarchen nutzten die neuen Länder von nun an vor allem für die landwirtschaftliche Versorgung des Reichs. Die schwer zugängliche, gebirgige Slowakei verarmte. Die Montan-Tradition lebte jedoch weiter: Im 18. Jahrhundert gründete Maria Theresia in Banská Štiavnica eine Bergbau-Akademie und noch im 19. Jahrhundert lieferten slowakische Bergwerke einen Großteil des ungarischen Bedarfs an Edelmetallen und Eisenerz. Am Rand des Slowakischen Erzgebirges behaupteten sich zahlreiche kleine Eisenhütten, meist von Adligen wie den Andrássy oder den Kohary betrieben. Da aber für eine Industrialisierung alle Voraussetzungen fehlten und die Landwirtschaft sehr rückständig war, kam es zu massiver Arbeitsmigration und Auswanderung. 

1840 wurde eine erste Eisenbahnstrecke von Bratislava ins nahegelegene Svätý Jur eröffnet und bald bis nach Wien verlängert. 1850 folgte die Verbindung nach Budapest und 1872 rollten Züge von Košice im Osten quer durch das Land ins tschechische Bohumín. Auf der Donau begann ein regelmäßiger Personen- und Frachtverkehr. Bratislava entwickelte sich aufgrund seiner Lage am Strom und der Nähe zur Metropole Wien mit ersten Industriebetrieben allmählich zur Großstadt.

Bei der Gründung der Tschechoslowakei 1918 bestand ein großer Abstand zum hochindustrialisierten Böhmen, der sich in den Folgejahren nicht verringerte. Die neuen Grenzen schnitten die Slowakei von den etablierten Märkten in Ungarn ab und eine halbherzige Bodenreform verschaffte den slowakischen Bauern noch immer keine rentablen Ackerflächen. Als sich Deutschland dann 1939 den tschechischen Teil der Republik einverleibte, bildete sich ein nur scheinbar unabhängiger „Slowakischer Staat“, der mit deutschem Kapital bald in die nationalsozialistische Rüstungsproduktion einbezogen wurde.  Viele alte Eisenwerke wurden zu großen Stahlhütten ausgebaut, die Skoda-Waffenfabrik in Dubnica in ein riesiges  Produktionszentrum für Kanonen, Munition und schweres Kriegsgerät umgewandelt. Straßen und Eisenbahnstrecken ließ das Deutsche Reich unter strategischen Gesichtspunkten modernisieren.

Der von Deutschland diktierte Weg in die Industrialisierung wurde nach der Wiedergründung der Tschechoslowakei 1945 unter sowjetrussischer Regie fortgesetzt. Beim Aufbau einer mächtigen, staatlichen Schwerindustrie in den neuen sozialistischen Staaten wies die Führung der UdSSR der Slowakei die Rüstungsproduktion zu. Die vorhandenen Waffenfabriken arbeiteten weiter. Hinzu kamen gigantische Neubauten wie die VSŽ-Stahlwerke bei Košice, für die Eisenerze allerdings aus der Sowjetunion und Kohle aus Tschechien herangeschafft werden mussten. Bei der Stadt Martin am Rand der Niederen Tatra entstand das Schwermaschinenkombinat ZT’S, das in der agrarischen Region aus einem Überfluss an Arbeitskräften schöpfen konnte.  Als größter Arbeitgeber der Slowakei produzierte ZT’S neben Lokomotiven und Traktoren auch Panzer der T-Reihe nach sowjetischer Lizenz.

Die zentrale staatliche Planung förderte gezielt die Entwicklung der Slowakei, um mit dem wirtschaftlichen Abstand zum tschechischen Landesteil auch ethnische Spannungen zu verringern. Neben der militärisch dominierten Stahlindustrie und dem Maschinenbau errichtete man u.a. Chemiewerke, Zellulose- und Papierfabriken. In Bratislava wurde die 1914 gegründete Universität erweitert, in Košice, der zweitgrößten Stadt, und an kleineren Orten entstanden neue Hochschulen. Die erfolgreiche Industrialisierung führte zur Urbanisierung der überkommenen Agrargesellschaft. Wie in den anderen sozialistischen Ländern erkaufte man die hohen Wachstumsraten jedoch mit dem unaufhörlich steigenden Verbrauch an Ressourcen und massiven Einschränkungen bei der Versorgung der Bevölkerung.