Auslöser für die Entstehung der chemischen Industrie war die Mechanisierung der englischen Textilproduktion in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Output der neuen Spinn- und Webmaschinen stieg rasant und die Fabrikanten brauchten neue Chemikalien, um Unmengen von Leinen- und Baumwollstoffen zu ... mehr
Auslöser für die Entstehung der chemischen Industrie war die Mechanisierung der englischen Textilproduktion in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Output der neuen Spinn- und Webmaschinen stieg rasant und die Fabrikanten brauchten neue Chemikalien, um Unmengen von Leinen- und Baumwollstoffen zu reinigen und zu bleichen. Drei Stoffe gewannen große Bedeutung: Schwefelsäure, Soda und Chlor. Ihre eng miteinander verbundenen Herstellungsverfahren schädigten Natur und menschliche Gesundheit jedoch schwer.
Um Schwefelsäure zu erzeugen, laugte man traditionell Schwefel aus Schiefergestein aus und verbrannte ihn: Die entstehenden Säuredämpfe wurden in Gefäßen mit Wasser aufgefangen und destilliert. 1746 führte der englische Unternehmer John Roebuck Bleikammern ein, um die Dämpfe aufzufangen. Nun ließ sich die Produktion durch eine Vergrößerung der Kammern leicht erhöhen und Schwefelsäure wurde zur ersten Industriechemikalie. Die Fabriken lieferten vor allem Säure zum Beizen von Metallen, bis die Nachfrage für das Bleichen von Leinen und Baumwolle explodierte. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand der erste kontinuierliche Herstellungsprozeß: eine Grundbedingung für die großindustrielle Chemie-Produktion.
Soda, chemisch „Natriumcarbonat“, diente ebenfalls zum Bleichen, war aber auch ein Grundstoff für die Herstellung von Glas und von Seife – die ebenfalls für die Textilverarbeitung benötigt wurde. Lange Zeit wurde es nach dem Prinzip erzeugt, das der französische Chemiker Nicolas Leblanc 1791 patentieren ließ: Man erhitzte Schwefelsäure und Salz auf einem Flammofen, röstete den so erzeugten „Salzkuchen“ zusammen mit Kalk und Kohle und wusch aus der „Schwarzen Asche“ dann das wasserlösliche Soda aus. Das Verfahren verbilligte Baumwollwaren und Glas erheblich, setzte jedoch zahlreiche hochgiftige Nebenprodukte frei.
Auch Chlor wurde dank seiner Bleichwirkung auf Textilien – einschließlich der Lumpen („Hadern“) für die Papierherstellung - früh zum Industrieprodukt. Ein erstes wirksames Bleichmittel erzeugte eine französische Fabrik 1789: Man leitete Chlor in eine Lauge aus Kaliumcarbonat ein und erhielt „Chlorwasser“. Wenige Jahre später erkannte der schottische Chemiker Charles Macintosh, dass Chlorgas von „gelöschtem“, also pulverförmigen Kalk absorbiert wird: Damit stand ein Bleichpulver zur Verfügung - praktisch für die industrielle Verwendung, jedoch extrem gesundheitsschädlich in der Produktion.
In der Eisenindustrie hatte sich Koks seit der Entdeckung 1709 wegen seines hohen Brennwerts etabliert – an der Wende zum 19. Jahrhundert begründete ein Nebenprodukt der Verkokung einen neuen Zweig der Chemie: das Leuchtgas. Ab 1807 verbreitete sich in England die Gas-Beleuchtung. Zuerst in Textilfabriken, die vor Ort Gas aus Kohle erzeugten, dann auch für die Straßenbeleuchtung: Die Städte errichteten in zentralen Gasanstalten gewaltige zylindrische Gasbehälter, von denen aus das „Stadtgas“ durch gusseiserne Rohrnetze verteilt wurde. Später kamen auch Fernleitungen aus kohlereichen Regionen in Benutzung.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der „Zweiten Industriellen Revolution“, entwickelte sich die Chemie zum führenden Wirtschaftszweig neben der Elektrotechnik. Ein Grund war, dass Forscher die Wirkstoffe immer genauer bestimmen konnten. Schon in den 1840er Jahren hatten John Bennet Lawes in England und Justus Liebig in Deutschland erkannt, von welchen Stoffen das Pflanzenwachstum abhängt: Nachdem Stickstoff, Kalisalz und Phosphor identifiziert worden waren, konnte man die landwirtschaftlichen Erträge mit künstlich erzeugten Wirksubstanzen steigern – und erstmals in der Geschichte eine sichere, vom Wetter unabhängige Nahrungsmittelproduktion aufbauen.
Zum Anderen hatten Theoretiker Einsichten in die Struktur chemischer Elemente gewonnen: Mit der von Friedrich August Kekulé entwickelten „Strukturformel“ – berühmtestes Beispiel ist der Benzolring – ließ sich die Zusammensetzung zahlloser chemischer Verbindungen darstellen und so die künstliche Herstellung, die „Synthese“, vereinfachen. Die Chemie bekam ein neues Gesicht. Von nun an spielte die Wissenschaft eine zentrale Rolle, denn die Analysen wurden meist in Hochschullabors durchgeführt, bevor die rasant expandierende Industrie die Wirkstoffe synthetisieren konnte.
Jetzt kam ein zweites Nebenprodukt der Steinkohle-Verkokung ins Spiel: Im Steinkohlenteer identifizierten Forscher Wirkstoffe, mit denen man Farben und bald auch Arzneimittel synthetisieren konnte. 1856 erzeugte der Brite William Henry Perkin Violett aus dem aus Teer gewonnenen Anilin. Bald darauf gelang ebenfalls auf Anilin-Basis die Herstellung von künstlichem Indigo-Blau, dann ersetzte man das Rot aus Krapp, der Wurzel der Färberröte, durch Alizarin. Diese beiden Farben entwickelte die Badische Anilin- und Soda-Fabrik (BASF), neben Hoechst und Bayer eine der drei in den 1860er Jahren gegründeten deutschen Chemiefirmen, die auf Basis der Teerfarbenproduktion die englischen Unternehmen als weltweit führenden Großkonzerne verdrängten.
Als sich zeigte, dass Farben auch therapeutische Wirkstoffe enthalten, entwickelten die Unternehmen die Herstellung von Arzneimitteln zu ihrem zweiten Standbein. Anfangs synthetisierte man keimtötende Substanzen für Antiseptika, dann folgten Fiebermittel. Nach neuen Erkenntnissen von Bakteriologen wie Louis Pasteur und Robert Koch entstanden bald auch Impfstoffe und am Ende des Jahrhunderts erreichten Hoechst und Bayer mit den Schmerzmitteln „Pyramidon“ und „Aspirin“ ungeahnte Verkaufszahlen.
Die bereits seit dem 18. Jahrhundert etablierten Grundstoffe wurden in verbesserten Verfahren weiterhin hergestellt. Am folgenreichsten war die Umstellung der Soda-Herstellung durch den Belgier Ernest Solvay in den 1860er Jahren. In einem Produktionsprozess auf der Basis von Kochsalz, Kalk und Ammoniak nutzte er Lösungen statt Feststoffen und niedrigere Temperaturen als die etablierte Leblanc-Methode. Neben dem geringeren Energieverbrauch gelangen Solvay zwei für die Entwicklung der chemischen Industrie charakteristische Fortschritte: Der Prozess verlief kontinuierlich und konnte weitgehend im Kreislauf gefahren werden - insbesondere das teure und giftige Ammoniak wurde großenteils wiederverwendet. Der nach dem Erfinder benannte Konzern erzeugt noch immer einen Großteil des weltweit benötigten Soda nach dem selben Prinzip.
In den 1880er Jahren bewirkten die rasanten Fortschritte in der Elektrotechnik, dass elektrischer Strom preiswerter und damit als Energiequelle für die aufblühende Elektrochemie attraktiv wurde. Grundlegend waren zwei Methoden: Bei der Elektrolyse werden chemische Verbindungen mithilfe von Strom zerlegt - so erzeugten der US-amerikanische Chemiker Charles Hall und der Franzose Paul Héroult 1886 Aluminium aus Aluminiumoxid. Chlor ließ sich auf diesem Weg so effizient herstellen, dass das herkömmlich produzierte Bleichpulver unter massiven Preisdruck geriet. Bei der Elektrothermie wiederum nutzte man Wärme insbesondere für den Betrieb der neuen, extrem heißen Lichtbogenöfen, in denen Stahllegierungen und Carbid für Acetylenlampen hergestellt wurden.
Zum letzten großen Entwicklungsschritt, der in dieser Epoche abgeschlossen wurde, kam es in der Düngerproduktion. Seit man wusste, dass Pflanzen in einem bestimmten Verhältnis Stickstoff, Kalisalz und Phosphate benötigen, waren zahlreiche Düngemittelfabriken entstanden und in den reichen Regionen der Erde konnten die von Wetterschwankungen ausgelösten Hungersnöte beendet werden. In Deutschland kam es jedoch zu Engpässen bei stickstoff-haltigen Düngemitteln, bis es dem Chemiker Fritz Haber 1909 gelang, aus Wasserstoff und Luftstickstoff Ammoniak zu synthetisieren. Sein Kollege Carl Bosch entwickelte dann bei der BASF ein großtechnisches Verfahren, um damit Stickstoffdünger zu erzeugen. Die „Ammoniaksynthese“ war 1913 anwendungsreif und ist bis heute das wichtigste Verfahren zur Düngerproduktion. Zugleich liefert sie das prägnanteste Beispiel für die zwei Gesichter der Chemie: Sie half, den Hunger einzudämmen, wurde zuerst aber zur Herstellung von Sprengstoff verwendet – andernfalls hätte das Deutsche Reich im Ersten Weltkrieg wegen Munitionsmangels wohl frühzeitig kapitulieren müssen.
Deutsches Technikmuseum
Trebbiner Strasse 9
10963
Berlin, Deutschland
Industrie- und Filmmuseum
Chemiepark Bitterfeld-Wolfen
Areal A
Bunsenstr. 4
06766
Bitterfeld-Wolfen, Deutschland
Museum der Arbeit Hamburg
Wiesendamm 3
22305
Hamburg, Deutschland
Nationales Museum für Wissenschaft und Technologie von Katalonien
Museu Nacional de la Ciència i la Tècnica de Catalunya (MNACTEC)
Rambla d’Ègara 270
08221
Terrassa, Spanien
Haus Nicéphore Niépce Museum
Musée Maison Nicéphore Niépce
2 rue Nicéphore Niépce
71240
Saint-Loup-de-Varennes, Frankreich
Poelzig Bau, ehem. IG-Farbenhaus
Norbert-Wollheim-Platz 1
60323
Frankfurt am Main, Deutschland
Deutsches Chemie-Museum Merseburg
Rudolf-Bahro-Straße 11
06217
Merseburg, Deutschland
Industrie- und Kunstmuseum Schönebeck/Elbe
Erlebniswelt Technik und Innovation (iMUSEt)
Ernst-Thälmann-Straße 5a
39218
Schönebeck/Elbe, Deutschland
Museum des Zentralen Industriebezirks
Muzeum Centralnego Okręgu Przemysłowego
ul. Hutnicza 17
37450
Stalowa Wola, Polen
Baía do Tejo Industriemuseum | ehem. Companhia União Fabril (CUF) Gelände
Museu Industrial Baía do Tejo
Parque Empresarial da Baía do Tejo
2830-314
Barreiro, Portugal
Villa Petrolea
Nobel Avenue 57/2
1025
Baku, Aserbaidschan
Nationales Technikmuseum
Národni technické museum
Kostelni 42
17078
Prag, Tschechien
Museum Sokolov
Zamecka 160-1
35601
Sokolov, Tschechien
Das Michelin Abenteuer
L’Aventure Michelin
32 Rue du Clos Four
63100
Clermont Ferrand, Frankreich
Parfummuseum Fragonard
Musée Fragonard
20 Boulevard Fragonard
06130
Grasse, Frankreich
Kamm- und Kunststoffmuseum
Musee du Peigne et de la Plasturgie
88 Cours de Verdun
01100
Oyonnax, Frankreich
Technikmuseum Gebrüder Nobel
3 Leselidze Street
6001
Batumi, Georgien
Peter Behrens Bau
Industrie Park Hoechst
Brüningstraße 45
65929
Frankfurt am Main, Deutschland
Liebig Museum
Liebigstraße 12
35390
Gießen, Deutschland
BASF Besucherzentrum
Carl-Bosch-Straße 38
67063
Ludwigshafen, Deutschland
TECHNOSEUM. Landesmuseum fur Technik und Arbeit
Museumstrasse 1
68165
Mannheim, Deutschland
Chemiepark Marl
Ausstellung im Informations-Centrum (IC)
Paul-Baumann-Straße 1
45764
Marl, Deutschland
Deutsches Museum
Museumsinsel 1
80538
München, Deutschland
Museum für Chemie
A Magyar Műszaki és Közlekedési Múzeum (MMKM) Vegyészeti Múzeum
Hunyadi utca 1
8100
Várpalota, Ungarn
Ferrania Film Museum
+39 019 50707403
https://www.ferraniafilmmuseum.net
https://it.wikipedia.org/wiki/Ferrania_Film_Museum
Via Luigi Baccino Ospedale, 28
17014
Cairo Montenotte, Italien
Nationales Wissenschafts- und Technikmuseum Leonardo da Vinci
museo nazionale della scienza e della tecnologia "leonardo da vinci"
Via S Vittore 21
21023
Mailand, Italien
CID Dokumentations- und Informationszentrum Torviscosa
CID Centro Informazione Documentazione Torviscosa
Piazzale Marinotti 1
33050
Torviscosa, Italien
Blaufarbenwerk und Kobaldbergwerk
Blaafarveværket og Koboltgruverne
3340
Åmot, Norwegen
Norwegisches Technikmuseum
Norks Teknisk Museum
Kjelsåsveien 143
0491
Oslo, Norwegen
Nobel-Museum Karlskoga & Bofors-Museum
Nobelmuiseet i Karlskoga og Bofors Museet
Björkborns Herrgård
Björkbornsvagen 10
69133
Karlskoga, Schweden
Nationales Wissenschafts- und Industriemuseum
Science Museum
Exhibition Road
South Kensington
SW7 2DD
London, Vereinigtes Königreich
Museum von Norwich am Bridewell
Bridewell Alley
NR2 1AQ
Norwich, Norfolk, Vereinigtes Königreich