ZUR INDUSTRIEGESCHICHTE VON KASACHSTAN

Geografisch liegt ein kleiner Teil des Landes in Europa, der größere in Asien: Die Kontinentalgrenze verläuft nach aktueller Sichtweise von den Bergen des Urals durch West-Kasachstan am Ural-Fluss entlang zum Kaspischen Meer. Historisch wurde das nomadisch geprägte Land, in dessen Böden eine Fülle von Rohstoffen liegt, durch die Zaren und die Sowjets bestimmt.

Kasachstan kam um die Mitte des 18. Jahrhunderts unter russische Herrschaft und diente dann vor allem als Rohstoff-Lieferant und Absatzmarkt für die ersten Betriebe der russischen Industrie. In der Mitte des 19. Jahrhunderts liegen die bescheidenen Anfänge der großen Industriereviere: Bei Karaganda mit dem Abbau von Kohle und einer kleinen Kupferhütte, in Ekibastuz ebenfalls mit der Kohleförderung. 1899 erbohrte ein russisches Unternehmen die erste Ölquelle, ab 1908 wurde zwischen den Flüssen Ural und Emba mit Hilfe ausländischer Investoren das „Schwarze Gold“ in großem Stil gefördert.

Russland engagierte sich – nicht zuletzt aus strategischen Gründen – auch im Eisenbahnbau: Ab 1904 rollten Züge der Transsibirischen Eisenbahn durch Kasachstan, ab 1906 querte die Trans-Aral-Bahn von Orenburg nach Taschkent den Südwesten des Landes und 1915 folgte die Altai-Eisenbahn im Osten. Dann aber führten der Erste Weltkrieg, der russische Bürgerkrieg und eine Hungersnot in eine Katastrophe, von der sich das Land nur langsam erholte.

Ab 1920 gehörte Kasachastan zur Sowjetunion, deren Regierung im Zug ihrer Industrialisierungspolitik mit der systematischen Erschließung der Bodenschätze begann. Sie baute die Produktionsstätten für Kohle, Kupfer und Eisen aus, intensivierte die Gewinnung von Gold und Blei und gründete neue Industriezentren wie die Stadt Schesqasghan. Ab 1931 verband die „Turk-Sib“ die wichtigsten Städte im Süden und Osten des Landes. In Almaty (damals Alma-Ata), seit 1929 Hauptstadt,  vervielfachte sich jetzt die Bevölkerung und neue Betriebe der Lebensmittelverarbeitung und der Leichtindustrie wurden angesiedelt.

Während des Zweiten Weltkriegs wuchs die Industrie, weil Moskau Werke aus umkämpften westlichen Gebieten nach Kasachstan verlegte.  In Almaty entstanden Fabriken für den Maschinenbau, in Atyrau (damals Gurjew) eine Ölraffinerie, die noch heute in Betrieb ist, in Temirtau bei Karaganda eine große Stahlhütte.

1949 zündete die Sowjetunion auf dem Testgelände in Semei (damals Semipalatinsk) ihre erste Atombombe. Die Anlagen blieben bis 1991 in Betrieb und hinterließen im Umland eine radioaktive  Verseuchung. Das nächste große Prestigeprojekt der UdSSR wurde ebenfalls in Kasachstan angesiedelt: In Baikonur (damals Leninsk), unweit vom Kaspischen Meer, entstand ab 1955 das „Kosmodrom“, von dem die sowjetischen Raumfahrt-Missionen starteten. Die Anlagen sind heute an Russland vermietet und werden international für bemannte Flüge ins All genutzt.

Die sowjetische Regierung investierte nun auch massiv in die Schwerindustrie – wie so oft aber auf Kosten der Leicht- und Lebensmittelindustrien, so dass Kasachstan Fertigwaren großenteils aus der Sowjetunion importieren musste. Aufgrund seines Ressourcenreichtums wurde das Land zu einem der größten Energie-Produzenten des sozialistischen Staatenbundes: Weitere Kohlebergwerke entstanden, insbesondere der riesige Steinkohle-Tagebau in Ekibastuz, man baute die Erdgas-Förderung aus und vor allem auf der Halbinsel Mangischlak am Kaspischen Meer wuchsen Öl-Bohrtürme aus dem Boden.

In den sechziger Jahren wurde die Industrie stärker diversifiziert: Neben Eisen und Kupfer nutzte man zunehmend auch Erze wie Titan, Mangan und Magnesium, eine bedeutende Aluminiumhütte entstand in Pawlodar. Chemische Werke konzentrierten sich auf den Süden des Landes mit Zentren in Schimkent und Taras (damals Dschambul), wo die Phosphatvorkommen für die Düngemittelproduktion genutzt wurden. Den aufblühenden Maschinenbau bezeugt die Eröffnung einer großen Traktorenfabrik in Pawlodar. Ein bedeutender Sektor war zudem die Rüstungsproduktion für die Rote Armee, die Maschinengewehre ebenso umfasste wie elektronische Steuerungen und biologische Waffen.

Zu Beginn der siebziger Jahre dürfte die Industrie die Führungsrolle in der kasachischen Ökonomie übernommen haben. 1991 wurde das Land unabhängig. Bald darauf brach die russische Nachfrage ein und die Schwächen der einseitigen Entwicklung wurden schmerzlich spürbar: Trotz der hochentwickelten verarbeitenden und produzierenden Werke ging das Bruttoinlandsprodukt drastisch zurück, heute muss das energie-reiche Kasachstan sogar elektrischen Strom importieren.
 

Kasachstan war eine Unionsrepublik der im Jahr 1991 aufgelösten 'Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR)'.
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