Reinhold Rücker Angerstein (1718–60)

Reinhold Rücker Angerstein war der talentierteste Repräsentant von Jernkontoret. Diese Vereinigung schwedischer Hüttenbesitzer war schon in frühindustrieller Zeit sehr rege. Bereits im 18. Jahrhundert entsandte sie Vertreter in alle Teile Europas, um die Handelsmärkte für Eisen zu beobachten und sich über alle technologischen Innovationen auf dem Laufenden zu halten. Die Protokolle dieser Botschafter in Sachen Eisen sind eine wertvolle Quelle für die gesamteuropäische Industriegeschichte. Als besonders informativ erweisen sich dabei die Berichte Angersteins. Sie lagern heute in der Jernkontoret-Zentrale in Stockholm. Im Jahr 2000 wurden sie in England veröffentlicht. 

Angerstein war der Großenkel eines deutschen Hüttenbesitzers, der 1639 nach Schweden auswanderte. 1718 wurde er in Vikmanshyttan geboren. Nach dem Studium an der Universität von Uppsala arbeitete er für das Bergscollegium, eine staatliche Bergbaubehörde. 1749 begab er sich auf eine mehrjährige Europareise, von der er erst 1755 zurückkehrte und für deren Finanzierung verschiedene schwedische Handelsvereinigungen aufkamen. Sein Weg führte ihn nach Dänemark, Deutschland, ins österreichische Kärnten, nach Ungarn, Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Holland, England, Belgien und Luxemburg. Er übernahm verantwortungsvolle Posten sowohl im Bergscollegium als auch im Jernkontoret. Zugleich führte er sein Familienunternehmen, eine Eisenhütte, die er entsprechend seiner auf Reisen gemachten Beobachtungen modernisieren wollte. Im Alter von 41 Jahren beendete ein früher Tod all seine Pläne. 

Angersteins Berichte zeugen von seiner bemerkenswerten Ader für Handelsdinge und von seiner Fähigkeit, technologische Entwicklungen zu verfolgen und zu dokumentieren. Er begriff schnell die enorme Bedeutung von Koks für die Eisenverhüttung, obwohl der neuartige Brennstoff seinerzeit in Großbritannien nur in sehr wenigen Hochöfen eingesetzt wurde. Zudem hatte er ein feines Gespür für die Vielfalt des britischen Eisenmarktes und für seine Lücken, die Länder wie Russland, Spanien und die Niederlande, aber auch Schweden mit entsprechend spezialisierten Exporten für sich nutzen konnten. Wertvoll sind überdies seine Beobachtungen zu industriell genutzten Textilien, zu Bergbau, Eisenbahnen und Flussnavigation. Wie andere schwedische Hüttenbesitzer auch förderte er neue Anschauungsweisen hinsichtlich Technologie und Handel. Seine Schriften zur industriellen Entwicklung in den verschiedenen europäischen Ländern sind daher in jeder Hinsicht aufschlussreich.