William Lindley: Modernes Wassermanagement für Kontinentaleuropa

1904 bekommt Hamburgs „Unterwelt“ hohen Besuch: Technikfan Kaiser Wilhelm II. besichtigt die älteste und immer noch modernste Kanalisation auf dem europäischen Kontinent. Ihr Baubeginn fällt in das Katastrophenjahr 1842, als ein Drittel Hamburgs einem Großbrand zum Opfer fällt. Einer der Augenzeugen ist der englische Ingenieur und Stadtplaner William Lindley, der gerade die Bahnstrecke ins benachbarte Bergedorf gebaut hat. Postwendend erhält er den Auftrag, die zerstörte Hamburger Innenstadt neu zu planen. Den Schwerpunkt legt er auf hygienisches Wassermanagement: Über ein elf Kilometer langes unterirdisches Kanalsystem leitet er Regen- und Abwasser in die Elbe, während ein Wasserwerk im Stadtteil Rothenburgsort geklärtes Elbwasser ins Trinkwassernetz einspeist. Ab 1893 übernimmt eine andere Anlage diese Aufgabe: die noch auf Lindleys Empfehlung zurückgehende Langsamsandfiltration der Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe.

Lindleys Hamburger Erfolg macht ihn zum international gefragten Kanalisationsexperten. In Prag plant er Ende des 19. Jahrhunderts die Alte Kläranlage Stará Čistírna. Abenteuerlustige Besucher erreichen den ERIH-Ankerpunkt über den Lüftungskamin samt spektakulärem Abstieg im Inneren des Schornsteins und anschließender Floßfahrt auf einem der 87 Meter langen unterirdischen Klärbecken. Ein weiterer historischer Zugang liegt unter dem alten Prager Rathaus. Übrigens: Auch für diese Kanalisation interessiert sich ein gekröntes Haupt – im Jahr 1901 besucht Kaiser Franz Joseph I die Anlage.