Weltbeste Spitze dank Schmuggelware aus Nottingham
Calais ist die einzige Stadt in Frankreich, in der an Weihnachten Plum Pudding gegessen wird. Zu tun hat diese erstaunliche Sitte mit einem Aufstand arbeitsloser Weber im englischen Nottingham 1811. Aber wie hängt beides zusammen?
Die Wut der Weber richtet sich gegen neuartige Maschinen, die die handwerkliche Herstellung von Tüll automatisieren. Tüll dient als Netzgrund für feine Spitzengewebe, auf die Nottinghams Textilindustrie spezialisiert ist und deren Produktionsmengen dank der neuen Technologie rasant steigen. Auch Robert Webster hat die innovativen Tüllwebstühle in seiner Fabrik in Nottingham stehen. Um sie vor den marodierenden Webern zu retten, schmuggelt er sie 1816 samt zugehörigem Personal und dessen weihnachtlicher Vorliebe für Plum Pudding über den Kanal nach Calais in Nordfrankreich – vorbei an Napoleons Kontinentalsperre und vor allem an den grimmigen englischen Grenzpatrouillen. Denn der Export von technischem Know-how steht zu jener Zeit im Mutterland der Industriellen Revolution unter Todesstrafe.
In Calais, in Sachen Textilindustrie damals ein völlig unbeschriebenes Blatt, stellt Webster seine Webstühle wieder auf – und begründet damit die rasante Entwicklung der Stadt zu einem der weltweit führenden Produktionsstandorte für hochwertige Spitze. Entscheidenden Anteil daran hat der französische Erfinder Joseph-Marie Jacquard (1752-1834), der den englischen Webmaschinen eine Lochkartenprogrammierung hinzufügt und es dadurch möglich macht, dem Tüll jedes erdenkliche Muster einzuweben.
Erzählt wird diese spannende Geschichte im Museum der Spitze und Mode in Calais. Ein ähnliches Museum ist auch in Nottingham geplant. Das dort bereits existierende Industriemuseum Nottingham zeigt original erhaltene Strick- und Tüllmaschinen und deren Weiterentwicklungen.