Jan Verbruggen (1712–81)

Jan Verbruggen war ein Metallgießer, durch den wichtige Techniken des Werkzeugmaschinenbaus von Kontinentaleuropa nach England gelangten, wo sie die Entwicklung der Dampfmaschine nachhaltig beeinflussten.

Verbruggen wurde in Enkhuizen in Westfriesland geboren und übte sich in Kunst und Architektur, bevor er 1746 das Amt des Obersten Metallgießers der Admiralität von Westfriesland erlangte. Binnen Jahresfrist begann er, Techniken zum Ausbohren von Geschützen aus massiven Gussteilen zu erproben. Diese Techniken hatte der Schweizer Johann Maritz, seines Zeichens Oberster Metallgießer von Burgdorf, erstmals entwickelt. Über seine Söhne erreichten sie Spanien und vor allem Frankreich, wo sie etwa seit den 1730er Jahren in der königlichen Waffengießerei von Douai in Gebrauch waren. Zuvor waren Geschütze als Röhren gegossen worden und erhielten ihren letzten Schliff mit Hilfe senkrecht geführter Bohrmaschinen. Maritz erzeugte massive Gussteile, die in horizontal gelagerten, wassergetriebenen Maschinen in Drehung gebracht und mit Schneidwerkzeugen bearbeitet wurden, deren Steuerung über Handräder erfolgte und dadurch genauere Bohrergebnisse ermöglichten.

In den frühen 1750er Jahren stieg Verbruggen zum Obersten Metallgießer der staatlichen Waffengießerei von Den Haag auf, die nun nach vielen Jahren der Vernachlässigung reorganisiert wurde. Zur Hand gingen ihm dabei sein Sohn Pieter (1735-1786), frisch gebackener Jurist, und John Siegler, der 15 Jahre lang in der Waffenfabrik von Douai gearbeitet hatte. Verbruggen war General de Creuznach unterstellt, nahm aber 1759 den Umbau der Gießerei in dessen Abwesenheit vor – ein Vorgehen, das in der Folge zehnjährige Kompetenzstreitereien nach sich zog. Die endeten erst, als Verbruggen 1770 gemeinsam mit seinem Sohn nach England übersiedelte und dort einen Posten in der Waffenfabrik von Woolwich übernahm. Während der nächsten vier Jahre strukturierte er die Gießerei komplett neu, und die hochwertigen Artilleriegeschütze, die er dort produzierte, fanden reichlich Anwendung bei den britischen Truppen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

Verbruggens Technologie unterlag dabei stets der strengsten Geheimhaltung. Dennoch gelang es John Wilkinson (1728-1808), dem führenden britischen Eisenproduzenten seiner Zeit und selbst Geschützhersteller, das Geheimnis zu lüften. 1774 ließ er sich eine horizontal gelagerte Bohrmaschine patentieren und entwickelte sie dergestalt weiter, dass sie in der Lage war, Dampfmaschinenzylinder viel genauer auszubohren, als das bis dahin möglich war. Ausgangspunkt waren nun keine massiven Gussteile mehr – die erwiesen sich für diesen Zweck als unbrauchbar. Stattdessen wurde nun zunächst ein Zylinderrohling gegossen und an einem Stützrahmen befestigt. Die sich drehende Schneidleiste fräste sich, gehalten durch Auflager an beiden Enden, durch diesen Rohling hindurch. Im Grunde war dies eine neue Maschine, die eines eigenen Patentes würdig gewesen wäre. Wilkinson glaubte sie geschützt durch das Patent von 1774, doch das wurde aufgehoben, nachdem die Handelskammer es 1779 angefochten hatte. So konnten andere Firmen in England und später auch in Übersee freien Nutzen daraus ziehen. James Watt betrachtete Wilkonsons Bohrmaschine als grundlegend für die Herstellung seiner Dampfmaschinenzylinder.

Abgesehen von der technischen Sogwirkung ihrer Tätigkeit waren Jan and Pieter Verbruggen anerkannte Künstler, deren rund 50 veröffentlichte Aquarelle von verschiedenen Arbeitsgängen in Geschützfabriken zu den wichtigsten Bildzeugnissen industrieller Arbeitsabläufe des 18. Jahrhunderts gehören.

Jan Verbruggen spielte eine wichtige Rolle im Technologietransfer von den staatlichen Betrieben des Ancien Regime zu den Unternehmern der Industriellen Revolution. Sein drei Stockwerke hohes Ziegelhaus aus den Jahren 1772-73 ist bis heute in Woolwich zu sehen, und seine Kanonen zieren militärhistorische Sammlungen in Europa und Nordamerika.