Karl Wilhelm Scheibler (1820–1881)
Karl (oder Karol) Scheibler lernte die maschinelle Textilindustrie in verschiedenen Teilen Europas kennen und brachte sein Wissen nach Łodz in Polen. Die Fabrik, die er dort 1855 errichtete, war mit einer Fläche von 168 Hektar eine der größten der Welt. Die Einwohnerzahl der Industriestadt Łodz wuchs von 18.000 im Jahr 1851 auf 100.000 im Jahr 1878. Sie wurde zu einem der wichtigsten Textilstandorte in Europa.
Łodz war lange schon für seine handgefertigten Textilien bekannt. Ab den 1820er Jahren entstanden mit Maschinen ausgestattete Fabriken für die Woll- und Flachsproduktion, vor allem nach Plänen von Wendisch (1827) und Gayers (1835). Die Zölle zwischen Polen und Russland führten jedoch zum Niedergang der Branche. Als die Zölle 1851 aufgehoben wurden, bot sich die Gelegenheit, in die billigere Baumwollverarbeitung zu investieren.
Scheibler wuchs in Montjoie/Monschau in der Eifel auf. Seine Familie blickte auf mehrere Generationen von Textilunternehmern zurück. In Belgien absolvierte er eine Lehre in einer Textilfabrik in Vervier. Mit 19 Jahren begann er dann in der Eisengießerei und Maschinenfabrik Cockerill in Seraing in Belgien zu arbeiten und lernte auf verschiedenen Reisen Textilbetriebe in England, Frankreich und Deutschland kennen. Nach den europäischen Revolutionen von 1848 wandte er sich den stabileren Verhältnissen in Russland und Polen zu, wo sein Onkel in Ozorków, 20 Kilometer von Łodz entfernt, eine Fabrik besaß. Als sein Onkel starb, übernahm er die Fabrik. Ab 1852 baute er eine Reihe von Baumwollfabriken in Łodz. Um 1870 war sein Unternehmen das größte seiner Art in Polen und beschäftigte fast 2.000 Mitarbeiter. Er erwarb weitere Unternehmen und wandelte sie 1880 in eine Aktiengesellschaft um.
Scheibler war ein Pionier auf dem Gebiet der Sozialfürsorge. Er baute in Łodz eine große Arbeitersiedlung namens Księży Młyn, die Häuser und Wohnungen, Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen, Kirchen, eine Bäckerei, Restaurants und eine Feuerwache umfasste. Die Weberei, die Feuerwache und die Arbeitersiedlung in Księży Młyn sind erhalten. Die dortige Villa von Scheibler ist heute das Museum für Filmkunst. Seine Frau errichtete für ihn in Łodz ein stattliches gotisches Mausoleum.