Johanna von Schaffgotsch (1842–1910)

Johanna von Schaffgotsch leitete und erweiterte ein riesiges Industrieimperium in Schlesien und wurde zu einer der reichsten Frauen Europas.

Sie wurde als Johanna Gryzik geboren und war die Tochter eines Bergmanns, der starb, als sie erst drei Jahre alt war. Als ihre Mutter wieder heiratete, wollte ihr neuer Mann sie nicht adoptieren. Ihre Mutter schickte die vierjährige Johanna zu Emilie Lukas, der Haushälterin des Industriellen Karl Godulla in dessen Schloss Schomberg. Godulla besaß zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts das größte Industrieimperium in den deutschen Staaten. Er entwickelte eine besondere Beziehung zu dem kleinen Mädchen, vermittelte ihr Hauslehrer und plante ihre zukünftige Ausbildung. Godulla war unverheiratet und als er 1848 starb, erbte die sechsjährige Johanna sein Vermögen. Er ernannte Emilie Lukas und Maximilian Scheffler zu ihren Vormündern. Godullas Neffen wehrten sich gegen das Testament, aber es gelang ihnen nicht, ihr Erbe an sich zu reißen.

Johanna wurde zu Hause und dann im Ursulinenkloster in Wrocłav (Breslau) in Kunst, Religion, Französisch, Englisch und Naturwissenschaften unterrichtet. In ihrer Jugend lernte sie den Adeligen Graf Hans Ulrich Schaffgotsch kennen. Sie wollten heiraten, was jedoch aufgrund ihres unterschiedlichen sozialen Status als unmöglich galt. Scheffler bezahlte dafür, dass sie von König Friedrich Wilhelm IV. einen Adelstitel verliehen bekam, und so wurde sie Johanna Gryzik von Schomberg-Godulla. Im Jahr 1858 heiratete sie Schaffgotsch; sie war 16 und der Graf 27 Jahre alt. Sie lebten in Wrocłav, auf Schloss Schomberg und in einem von ihnen gekauften und umgebauten Schloss in Kopice bei Grodków. Graf Schaffgotsch hatte wenig Besitz und Johanna blieb die alleinige Besitzerin des Godulla-Erbes.

Scheffler leitete die Godulla-Betriebe, als Johanna noch ein Kind war, aber sie fasste den für eine adelige Frau der damaligen Zeit ungewöhnlichen Entschluss, sie selbst zu leiten. Im Jahr 1891 beschäftigte sie 5.000 Arbeiter. Sie besaß zahlreiche Kohlebergwerke, die enorme Gewinne abwarfen, und 1895 erwarb sie weitere. Gleichzeitig verkaufte sie die Zinkminen und -hütten, die Godulla aufgebaut hatte, da die Zinkindustrie nun unrentabel war. 1905 gründete sie eine Aktiengesellschaft, die Gräflich Schaffgotsch'schen Werke, mit Sitz in Beuthen. Johanna war Mehrheitsaktionärin, überließ aber ihrem Ehemann und Generaldirektor kleine Anteile. Es wird angenommen, dass sie zu Lebzeiten ihr geerbtes Vermögen versiebenfacht hat.

Das Paar hatte einen Sohn und drei Töchter. Sie unterstützten zahlreiche Schulen, Kirchen und Krankenhäuser und bauten ein Waisenhaus. Für die Beschäftigten der Bergwerke und Stahlwerke wurde ein Hilfsfonds eingerichtet, und in Beuthen wurde ein Internat für die Kinder der Arbeiter gegründet.