Seebohm Rowntree (1871–1954)
Seebohm Rowntree war einer der einflussreichsten Vertreter des Sozialgedankens im Europa des 20. Jahrhunderts. Geboren wurde er in York als Sohn des Quäkers und Schokoladenfabrikanten Joseph Rowntree (1835-1925). Er besuchte die Yorker Bootham School, eine Quäker-Einrichtung, und studierte Chemie an der Hochschule, aus der später die Universität von Manchester hervorging.
1897 übernahm er die Führung des Familienunternehmens und nutzte seine chemischen Kenntnisse, um die Herstellungsverfahren für Schokolade zu optimieren. Überdies galt sein Interesse der Entwicklung der modellhaften Arbeitersiedlung New Earswick gleich neben der Fabrik. Als Vorstandsvorsitzender diente er der Firma von 1923 bis 1941.
Inspiriert von den Arbeiten von Charles Booth (1840-1916) führte er eine Untersuchung der sozialen Bedingungen in York durch und veröffentlichte seine Ergebnisse 1901 unter dem Titel „Armut: Eine Studie städtischen Lebens“. Das Buch enthält eine überwältigende Fülle an statistischen Daten, die es zur Pflichtlektüre für alle Sozialpolitiker machte. 1907 lernte er David Lloyd George (1863-1945) kennen, damals Präsident des Handelsministeriums. In der Folgezeit hatte er einen beträchtlichen Einfluss auf Lloyd Georges Gesetzgebung zur Altersversorgung und Sozialversicherung.
Im Ersten Weltkrieg war er Direktor der Abteilung für Sozialwesen im neu geschaffenen Rüstungsministerium. Er unterstützte die Durchsetzung von Mindestlöhnen, die Einführung eines Kindergeldes sowie Methoden zur Beteiligung von Betriebsräten an der Geschäftsführung. Von 1945-50 übte er einen beträchtlichen Einfluss auf die Sozialpolitik der Labourpartei aus. 1941 veröffentlichte er unter dem Titel „Fortschritt und Armut“ eine weitere Studie über York. Eine dritte Untersuchung, „Armut und Sozialstaat“, folgte 1951.
1947 war er als Ehrengründungsmitglied dabei, als das British Institute of Management aus der Taufe gehoben wurde. Rowntree gilt als Pionier der Anwendung wissenschaftlicher Methoden im Bereich Industrieverwaltung und Sozialpolitik.