Frank Pick (1878–1941)


Frank Pick entwickelte das wahrscheinlich beste städtische Passagierbeförderungsnetz der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Geboren als Sohn eines freikirchlichen protestantischen Tuchhändlers in Spalding, Lincolnshire, studierte er an der Universität London Jura und ging 1902 als Auszubildender der Geschäftsleitung zur Eisenbahngesellschaft North Eastern Railway. Dort spezialisierte er sich auf Statistik. 1906 folgte er seinem Hauptgeschäftsführer nach London zur Underground Electric Railways Co. (Gesellschaft für Untergrundbahnen), zu deren Vertriebsmanager er 1912 aufstieg. Seit 1928 bekleidete er dort den Posten des geschäftsführenden Direktors. Als 1933 die Londoner Bus-, Straßenbahn- und U-Bahngesellschaften zum London Passenger Transport Board fusionierten, ernannte man ihn zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden und leitenden Geschäftsführer.

Pick steht für charakteristische Merkmale des alltäglichen Lebens in London. Er führte Fahrtzielanzeigen an Bussen ein und ließ Haltestellen aus Beton errichten, die über Fahrplantafeln verfügten. Auf ihn gehen die ersten Rolltreppen in der U-Bahn zurück sowie wissenschaftlich analysierte Orientierungsschilder für Fahrgäste und Benutzer von Zügen, Roll- und sonstigen Treppen. Sein Name steht für freistehende, mit der Bezeichnung der jeweiligen Haltestelle versehene Sitzgelegenheiten, für die Nennung der Haltestelle an den Wänden der Bahnhöfe und – 1928 – für die Einführung von wechselgeldfähigen Münzautomaten zum Fahrkartenerwerb.

Voller Begeisterung gab er bei namhaften Künstlern Werbeplakate in Auftrag und bestellte bei den besten Textildesignern der Stadt ansprechende und zugleich robuste Sitzbezüge. 1913-16 entwarf Edward Johnson (1872-1944) für ihn den Schrifttyp, der in abgewandelter Form noch heute das Erscheinungsbild der Londoner Metro prägt. Und es war Johnson, der 1918 das rote U-Bahn-Logo entwickelte. 1933 beauftragte Pick Harry Beck (1903-74) mit dem Entwurf der bekannten, an einem Schaltplan orientierten schematischen Übersicht über alle U-Bahn-Linien der Stadt.

Pick ließ sich bei seiner Arbeit stark von seinen Reisen in Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien inspirieren. Die fotografische Sammlung der Vereinigung zum Schutz des ländlichen England (Council for the Protection of Rural England) an der Universität von Reading enthält einige Schnappschüsse aus seiner Hand, mit denen er in Düsseldorf und Amsterdam seiner Meinung nach gute Vorbilder für die Gestaltung des öffentlichen Nahverkehrs festhielt.

In mehreren europäischen Städten einschließlich Moskau war er als Berater für Verkehrsfragen im öffentlichen Raum tätig. Seine nachhaltigsten Denkmäler in London sind die U-Bahnstationen, mit deren Bau er den Architekten Charles Holden (1875-1960) beauftragte. Viele davon verraten den Einfluss des Niederländers Willem Marinus Dudok (1884-1974), dessen Werke Pick und Holden gleichermaßen auf ihren Reisen kennen und schätzen gelernt hatten. Als besonders unverwechselbar gelten jene Haltestellen Holdens, die die westlichen und nördlichen Ausläufer der Piccadilly-Linie säumen, darunter Hangar Lane, Arnos Grove, Boston Manor und Southgate. Letztere verfügt noch über viele original erhaltene architektonische Details.

Picks letzte große Aufgabe war die Organisation der Züge, die in London wohnende Kinder bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs aufs Land evakuierten. Sein Einsatz beim kriegsbedingt gebildeten Informationsministerium war nur kurz, weil er bald nach seiner Berufung verstarb.

Pick verschmähte jede Art von Ehrung. An seine Leistungen erinnert lediglich eine einfache blaue Tafel an seinem Wohnhaus in der Wildwood Road 16, Golders Green. Sir Nikolaus Pevsner würdigte ihn 1942 als „größten Kunstförderer, den England in diesem Jahrhundert bislang hervorgebracht hat, und gewiss den idealen Schirmherrn unseres Zeitalters“. Pick war einer der fähigsten und aufgeklärtesten Gestalter des öffentlichen Raums, die Europa je gesehen hat.