Georges Nagelmackers (1845–1905)

Georges Nagelmackers gründete ein internationales Unternehmen, das zum Symbol für Eisenbahn-Luxusreisen wurde. Er wurde in Lüttich in eine wohlhabende Familie geboren, die Anteile an Eisenbahn-Unternehmen und Banken besaß und Verbindungen zum belgischen Königshaus unterhielt. Als junger Mann bereiste er die Vereinigten Staaten, wo ihn das Angebot für Bahnreisende beeindruckte, das George Pullman (1831-1897) aufgebaut hatte. 1869 kehrte er mit dem Plan nach Belgien zurück, internationale Eisenbahn-Direktverbindungen zu organisieren. Insbesondere wollte er britische Indien-Reisende erreichen, die per Zug nach Brindisi in Süditalien und von dort weiter mit dem Dampfschiff fuhren. Der Deutsch-Französische Krieg 1870-71  verhinderte die Realisierung, aber 1872 richtete er Verbindungen von Ostende nach Berlin, von Paris nach Köln und von Wien nach München ein. Im Folgejahr wurde er weithin bekannt, als er Züge von Paris zur Weltausstellung in Wien organisierte.

Kapitalmangel zwang ihn, eine Partnerschaft mit dem Amerikaner Oberst William D'Alton Mann (1839-1920) einzugehen, einem pensionierten Kavalleristen, der 1874 in Großbritannien der Great Northern Railway den ersten Schlafwagen geliefert hatte und eine Firma mit dem Namen „Mann Boudoir Sleepingcars“ führte, die in Deutschland, Belgien, Frankreich und Österreich-Ungarn operierte. Am 31. August 1874 wurde Nagelmackers Geschäftsführer des gemeinsamen Unternehmens, am 4. Dezember 1876 kaufte er Manns Anteile auf und gründete die „Compagnie Internationale des Wagons-Lits“. 1883 setzte er dem Namen „et des Grands Express Européen“ hinzu. Die neue Firma übernahm Manns gesamte Verbindungen zwischen den deutschen Großstädten und führte sie weiter über die Grenzen nach Wien, Bordeaux, Ostende und Orşova an der Donau, der Ostgrenze von Österreich-Ungarn (heute Rumänien). Die Firma versorgte Schlafwagen-Reisende mit Essen und Getränken und baute 1881 in München den ersten Speisewagen zur Benutzung während des Tages.

Die „Compagnie Internationale des Wagons-Lits et des Grands Express Européen“ betrieb einige der berühmtesten europäischen Züge. Am 5. Juni 1883 wurde der Zug vorgestellt, aus dem der „Orient-Express“ werden sollte: Er fuhr von Paris nach Giurgiu an der Donau im heutigen Rumänien, wo die Passagiere auf Dampfschiffe nach Konstantinopel umstiegen. Eine tägliche Verbindung für die Teilstrecke von Paris nach Budapest eröffnete am 1. Juni 1884, mit Anschluss nach Giurgiu zwei Mal pro Woche. Nach dem Bau neuer Eisenbahnstrecken in Bulgarien brachte der „Orient-Express“ die Reisenden ab 1. Juni 1889 in 67 Stunden und 35 Minuten direkt von Paris nach Konstantinopel, ohne dass sie den Wagen wechseln mussten. 1880 bezog das Unternehmen Spanien in seinen Service ein, 1883 begann von Calais der „Rom-Express“ zu rollen, 1884 der „Nord-Express“ von Paris nach Sankt Petersburg und 1887 der „Süd-Express“ von Paris nach Lissabon, wo Anschluss an Dampfschiffe im Transatlantik-Verkehr bestand.

Seinen Wunsch, englische Indienreisende von der Kanalküste nach Brindisi zu bringen, konnte sich Nagelmackers endlich erfüllen, als er 1890 den „Brindisi Peninsular & Oriental Limited Express“ von Calais aus einrichtete. Ab 1894 bot ein Zug von Ostende nach Triest, mit Anschluss an Dampfer, eine Schnellverbindung für Ägypten-Reisende. Um die Jahrhundertwende engagierte sich die Firma immer stärker in Russland, stellte 1898 eine Direktverbindung von Sankt Petersburg nach Cannes her und lieferte Wagen für die Transsibirische Eisenbahn. 1903 folgte die erste Verbindung nach Kopenhagen und als 1906 der Simplon-Tunnel eröffnete, bot das Unternehmen den „Simplon-Express“ an: Zuerst nur von Paris bis Mailand, 1907 dann bis Venedig und 1912 bis Triest. Als Nagelmackers 1905 starb, besaß seine Firma mehr als tausend Eisenbahnwagen.

Das Unternehmen diversifizierte in verschiedene Richtungen. Es betrieb Bar und Erfrischungsräume auf der Pariser Weltausstellung von 1900, eben rechtzeitig zur Eröffnung wurde auch das „Elysée Palace Hôtel“ fertiggestellt. Das „Hôtel de la Plage“ in Ostende, das „Bosphorus Summer Palace Hotel“ bei Konstantinopel/Istanbul, das „Grand Hôtel des Wagons-Lits“ in Peking und das Resort Tatra-Lomnicz in den Karpaten gehörten ebenfalls dazu.

Während des Ersten Weltkriegs wurde die Firma „Mitropa“ gegründet, die Fahrzeuge betreiben sollte, die in Deutschland und Österreich konfisziert worden waren. Es entwickelte sich in den 1920er und 30er Jahren zu einem Konkurrenzunternehmen, obwohl die Firmen sich 1925 in einer Abmachung zu einigen versuchten. Eine wichtige Innovation war 1936 die Einführung der Nachtfähre, die es ermöglichte, mithilfe der Eisenbahnfähre zwischen Dover und Dünkirchen auf der Strecke London-Paris durchgehende Schlafwagen anzubieten. Die Verbindung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgenommen, 1957 kamen auch Kurswagen nach  Brüssel hinzu, doch 1980 wurde die Strecke eingestellt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das Unternehmen jenseits des Eisernen Vorhangs nicht mehr agieren. Es betrieb nun weniger Züge, die ausschließlich aus eigenenWagen bestanden, aber der Schlaf- und Speisewagen-Service blieb erhalten. Nationale Eisenbahngesellschaften waren zunehmend bereit, bei Projekten wie dem Trans-Europ-Express zusammenzuarbeiten, so dass ein spezielles, transnationales Unternehmen kaum noch nötig zu sein schien. Zudem waren die Eisenbahn-Fernverbindungen zunehmendem Konkurrenzdruck durch Fluglinien ausgesetzt. 1960  hatte die Firma immer noch rund 13.000 Angestellte und  unterhielt Werkstätten in Paris, Ostende, Rom, Wien, München, Athen, Irun, Madrid und Istanbul. 1967 wurde sie in „Compagnie Internationale des Wagons-Lits et du Tourisme“ umbenannt, zwei Jahre später begann sie, ihre Wagen zu verkaufen. Schlafwagen-Verbindungen sind in Europa mittlerweile stark verringert worden,  aber das Unternehmen existiert noch und betreibt unter anderem die Gastronomie in den Eurostar-Zügen.