Reinhard Mannesmann (1856–1922)

Reinhard Mannesmann stammte aus dem Bergischen Land und gehörte einer Familie an, die tief in der regionalen Tradition der Eisenverarbeitung wurzelte. Er entwickelte eine Reihe von technologischen Neuerungen und war dadurch in der Lage, eine Firma zu gründen, die ihre Interessen in ganz Europa und jenseits davon vertrat.

Er war der älteste von sechs Söhnen eines Herstellers von Stahlfeilen, der in Remscheid-Bliedinghausen mehrere Werkstätten unterhielt. 1885 entwarf Reinhard zusammen mit seinem Bruder Max ein Walzwerk, das nahtlose Stahlrohre herstellen konnte. 1888 wurde das Verfahren patentiert und 1891 zum Pilgerwalzwerk weiterentwickelt. Dessen Kernidee bestand aus einem Aufspannbolzen, der einen rot glühenden Stahlzylinder durch eine Reihe von Walzen bohrte. Das so entstandene Rohr passierte nun eine Folge weiterer Walzen, bis es den jeweils erforderlichen Durchmesser aufwies. Das Verfahren reduzierte auf drastische Weise die Herstellungskosten von Stahlrohren. Die fanden vor allem Verwendung in der Fahrradproduktion sowie in den 1890er Jahren bei der Verlegung der ersten druckdichten Ölpipeline durch den Kaukasus.

Mannesmann fügte der ursprünglichen Fabrik in Remscheid ein Röhrenwerk in Bous im Saarland hinzu, errichtete eine Fertigungsanlage für nahtlose und geschweißte Rohre in Düsseldorf-Rath, baute ein Walzwerk im böhmischen, damals zum Habsburger Reich gehörigen Komatau zur Belieferung Osteuropas, Russlands und des Mittelmeerraums und gründete eine weitere Produktionsstätte in Landore bei Swansea, zuständig für die Versorgung Großbritanniens, des Britischen Weltreichs und Nordamerikas. Alle zusammen bildeten die 1890 gegründete Deutsch-Österreichische Mannesmannröhren-Werke Aktiengesellschaft, die zunächst in Berlin residierte, 1893 jedoch nach Düsseldorf umzog.

1906 gründete das Unternehmen ein weiteres Zweigwerk in Mailand, das wiederum den Bau einer Röhrenfabrik in Dalmine bei Bergamo betrieb. Im selben Jahr ging die Saarbrücker-Gussstahlwerk AG, bis dahin wichtigster Stahllieferant für das Walzwerk in Bous, in den Besitz von Mannesmann über.

Reinhard Mannesmann starb 1922, seine Firma jedoch blieb in der Hand in der Familie und entwickelte sich mehr und mehr zum integrierten Konzern aus vor- und nachgelagerten Produktionsstufen. So erwarb das Unternehmen das Stahlwerk in Duisburg- Huckingen, einen Hersteller für Rohrsysteme in Bitterfeld sowie den Maschinenbaukonzern der Gebrüder Meer in Mönchengladbach.

Nachkriegsregelungen zerschlugen das Mannesmannimperium 1952 in drei Bestandteile, die aber schon drei Jahre später wieder in einer Hand vereinigt waren. Neue Technologien zur Herstellung von Rohren aus rostfreiem und nickelhaltigem Stahl wurden entwickelt, und 1970 erwarb das Unternehmen die Rohrproduktionskapazitäten der Thyssen AG. Ein Jahr zuvor waren die firmeneigenen Zechen in den Besitz der Ruhrkohle AG übergegangen.

Seit 1990 eröffnete Mannesmann die Telekommunikation als neues Geschäftsfeld, was 1999-2000 zu einer kontrovers diskutierten feindlichen Übernahme durch das britische Unternehmen Vodafone führte. Mannesmanns traditionelle Produktionszweige – Stahl und Maschinenbau – werden seither durch die Brüder Mannesmann AG mit Hauptsitz in Remscheid und die in Düsseldorf residierende Salzgitter Mannesmann International AG weitergeführt.