Zeitschrift Industriekultur 3.21: „Kanal-Landschaften“

Wasserstraßen sind vor der Erfindung der Eisenbahn der wichtigste frühindustrielle Transportweg für schwere und umfangreiche Lasten. Da die natürlichen Gewässer nicht zahlreich genug sind, entsteht bald ein umfangreiches Netz aus Kanälen. Doch „die Bedeutung einer Wasserstraße erschöpft sich nicht in Wasserbau-Technik und wirtschaftlichem Nutzen“, heißt es in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Industriekultur und regt in ihren Beiträgen dazu an, „auch die künstlichen Wasserstraßen als Kulturgewässer wahrzunehmen“. Besonders gut kommt das im Kapitel zu einschlägigen ERIH-Standorten zum Ausdruck.

Der spannende Überblick zu herausragenden Kanalbauten der Industriegeschichte zeigt deutlich, wie vielfältig die künstlichen Wasserstraßen von Anfang an eingesetzt werden. In Großbritannien besteht vor allem Bedarf am Transport von Massengütern, allen voran Kohle. Das verrät schon der Bridgewater-Kanal als erster „moderner“ Kanal im Mutterland der Industrialisierung. Sein Bauherr Francis Egerton (1736–1803), 3. Duke of Bridgewater, nimmt ihn 1761 in Betrieb, um die Kohle aus seinen Zechen bei Worsley nach Manchester zu befördern. Der wirtschaftliche und finanzielle Erfolg dieses neuen Transportweges ruft schon bald zahlreiche Nachahmer auf den Plan.

In Norwegen dienen die künstlichen Wasserstraßen vor allem der Holzflößerei. Auf Teilen des 105 Kilometer langen Telemark-Kanals zwischen Dalen und dem Handelshafen Skien hält sich diese Art der Nutzung sogar noch bis 2006. Auch der 1791 in Betrieb genommene Schwarzenberger Schwemmkanal in Tschechien hat ursprünglich die Funktion, Holz aus dem damals schwer zugänglichen Böhmerwald kostengünstig nach Wien zu transportieren. Dass Zeitgenossen ihn als „achtes Weltwunder“ feiern, macht die hohe Achtung vor den damit verbundenen Ingenieursleistungen deutlich.

Die ziehen auch heute noch zahlreiche Besucher an. Zu den Besuchermagneten zählen etwa das Pontcysyllte-Aquädukt in Wrexham, Wales – seit 1805 das höchste und längste Aquädukt in Großbritannien – oder der Barton Swing Aqueduct, dessen 1 450 Tonnen schwerer und 100 Meter langer Trog um 90 Grad gedreht werden kann. Dem Hefttitel „Kanal-Landschaften“ wird besonders der Grand Canal of Ireland gerecht, der zusammen mit dem Fluss Shannon, den Erne-Seen und dem Shannon-Erne-Kanal das größte Hausbootrevier Europas bildet. Das hat er unter anderem den beherzten Bürgerinitiativen zu verdanken, die in den 1970er Jahren für seinen Erhalt kämpften dadurch ein neues Bewusstsein für den kulturellen Wert dieses Bauwerks weckten.

Da will ich hin: Standorte mit Kanalbezug 
ERIH-Artikel in 'Industriekultur': "Wie Wasser zu wichtigen Wegen wurde. Industriegeschichtlich bedeutsame Kanäle in Europa"