Nicht Bertold Schwarz hat das Pulver erfunden, auch wenn es nach ihm "Schwarzpulver" genannt wird. Die Ursprünge liegen in China, wo das erste Rezept für eine Mischung aus Holzkohle Salpeter und Schwefel aus dem Jahr 1044 überliefert ist. Im Fernen Osten wurde Pulver wohl nur für Brandpfeile und ... mehr
Nicht Bertold Schwarz hat das Pulver erfunden, auch wenn es nach ihm "Schwarzpulver" genannt wird. Die Ursprünge liegen in China, wo das erste Rezept für eine Mischung aus Holzkohle Salpeter und Schwefel aus dem Jahr 1044 überliefert ist. Im Fernen Osten wurde Pulver wohl nur für Brandpfeile und Feuerwerkskörper eingesetzt. Die ersten Feuerwaffen entstanden im 14. Jahrhundert in Mitteleuropa, an mehreren Orten zugleich. Bald begann man, gestützt auf Erfahrungen aus der Herstellung von Kirchenglocken, Geschütze aus Bronze zu gießen – der Kanonen-Werkstoff für viele Jahrhunderte war gefunden. Verschossen wurden anfangs Steinkugeln, im 15. Jahrhundert setzten sich Kugeln aus Gusseisen durch.
Der entscheidende Schritt zur quasi-industriellen Massenproduktion von Kriegsgerät war jedoch die Standardisierung des Militärwesens. Die Republik Venedig, überlegene Kriegs- und Handelsmacht im Mittelmeerraum, ließ im 15. Jahrhundert erste standardisierte Bauteile für Kriegsschiffe herstellen und begann auch eine Reform des Geschützwesens, die Kaiser Karl V. schließlich vervollkommnete. Als Maßeinheiten wurden damals das Kugelgewicht und der Durchmesser des Geschützrohrs eingeführt: Die erste Einheit war in Europa jahrhundertelang in Gebrauch und wurde erst vor dem ersten Weltkrieg durch die zweite, das Kaliber, ersetzt. Ein erster Schritt zur Vereinheitlichung des Heerwesens war die Oranische Militärreform Ende des 16. Jahrhunderts: Anstelle von Fall zu Fall angeworbener Söldnertruppen stellten die Holländer in ihrem Unabhängigkeitskampf ein stehendes Heer auf, das durch Waffendrill und Exerzieren ständig einsatzbereit war. Im Lauf des folgenden Jahrhunderts setzten sich die neuzeitlichen Heere mit einheitlicher Uniformierung und Bewaffnung, stationiert in Kasernen, weithin durch. Zugleich standardisierten die Großmächte, mit England und Frankreich an der Spitze, auch ihre Kriegsflotten: Die Schiffe wurden nach Anzahl ihrer Kanonen eingeteilt und die Admiralität legte Auflagen für den Bau fest, die letztlich in eine Serienfertigung münden sollten.
Eine vollwertige Serienproduktion mit austauschbaren Teilen entstand jedoch erst in der Waffenherstellung Mitte des 19. Jahrhunderts. Bis dahin fertigten staatliche Manufakturen Gewehre und Pistolen aus Einzelteilen, die zwar gleich aussahen, bei der Endmontage aber immer noch per Hand angepasst werden mussten. Waffenhersteller aus Nordamerika wie Samuel Colt entwickelten schließlich so präzise Werkzeugmaschinen, dass die passgenauen Komponenten der Colts oder Rifles am Schluss nur noch zusammengesetzt werden mussten. Die Präzisions-Werkzeugmaschinen verbreiteten sich dann allmählich in Europa, nicht zuletzt wegen der hohen Anforderungen neuer Branchen wie der Elektroindustrie, und veränderten die Industrieproduktion grundlegend: Das Können der Handwerker wurde überflüssig.
In dieser Epoche großer Innovationen drängten zahllose Neuerungen ziviler Industrien ins Militärwesen und machten die Todesmaschinerie immer effizienter. Das früheste Beispiel für die "Industrialisierung des Krieges" ist der amerikanische Bürgerkrieg 1861-65. Mit den neuen, hochgenauen Werkzeugmaschinen konnte das erste Maschinengewehr hergestellt werden, die Gatling Gun. Die großen Fortschritte in der Eisenverarbeitung machten Stähle billiger und besser, so dass sich die Verwendung von Panzerplatten etablierte. Zugleich kamen Kanonen mit einem "gezogenen" Lauf auf, der das Geschoss in Rotation versetzt und so Reichweite und Treffgenauigkeit steigert. Beides vereinte sich in den ersten, dampfgetriebenen Panzerschiffen, die über der Wasserlinie nur aus einem flachen, eisenbewehrten Aufbau und mächtigen Geschütztürmen bestanden.
Parallel zur Industrialisierung des Krieges entwickelte sich die Produktion von Kriegsgerät ab Mitte des 19. Jahrhunderts zum Massengeschäft, das von wenigen Konzernen aus den führenden Industrienationen Großbritannien, Frankreich und Deutschland beherrscht wurde: Zentrale der französischen "Eisen-Könige" aus der Familie Schneider war das riesige Stahlwerk im burgundischen Ort Le Creusot, das in großem Maßstab Rüstungsgüter produzierte. Zu den Zweigwerken zählten auch Standorte an der Atlantikküste, in denen Schiffe gebaut, U-Boote und Torpedos entwickelt wurden. Dominiert wurde der europäische Kriegsschiffbau von Großbritannien, insbesondere vom Vickers-Konzern aus Sheffield, einem zeitweise übermächtigen Stahlproduzenten, der auch Geschütze und Munition, Autos und Flugzeuge herstellte. 1927, in der Entstehungszeit der großen nationalen Trusts, fusionierte Vickers mit seinem wohl schärfsten Konkurrenten, der Firma Armstrong Whitworth aus Newcastle.
Gut erforscht ist die Geschichte des Essener Krupp-Konzerns, der "Kanonenschmiede des Deutschen Reiches". Krupp baute sein Imperium auf der Produktion des widerstandsfähigen und dennoch flexiblen Gussstahls auf. Anfangs machte die Firma gute Gewinne mit nahtlosen Radreifen aus Gusstahl für die Eisenbahnen. Kanonen aus Gussstahl konnte man erst in großem Stil absetzen, nachdem sich im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 ihre Überlegenheit über die Geschütze aus Bronzeguss erwiesen hatte. Das Unternehmen gelangte dann in eine monopol-ähnliche Stellung in der deutschen Rüstungsproduktion – aufgrund enger Beziehungen zur Reichsregierung und zum Kaiser selbst, aber auch weil sich nennenswerte Konkurrenz erst nach der Jahrhundertwende entwickelte. Krupp erwarb seinen zweifelhaften Ruhm vor allem durch die Kanonen-Produktion, verdiente aber noch besser an patentierten Panzerplatten, die für den Ausbau der deutschen Flotte konkurrenzlos waren, jedoch auch an die Marine Großbritanniens und der USA geliefert wurden. Allerdings ging der Anteil der Rüstungsgüter an der Gesamtproduktion vor dem Ersten Weltkrieg selten über 40% hinaus. Auch die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Rüstungsindustrie ist infolge der zeitgenössischen militaristischen Propaganda lange überschätzt worden. In Deutschland waren beispielsweise 1907 nicht mehr als 2% der Arbeiter mit der Produktion von Kriegsmaterial beschäftigt. Historiker sind mittlerweile auch weitgehend einig, dass die großen Rüstungskonzerne beim Ausbruch des Krieges keine entscheidende Rolle spielten.
Die Aufrüstung der imperialistischen Großmächte und vor allem die Kriegsjahre führten zu einem grundlegenden Wandel im Verhältnis von Militär und Rüstungsindustrie. Um ihre Unabhängigkeit zu bewahren, hatten die Armeen bis dahin immer eigene Werkstätten unterhalten. Die rasch zunehmende, anspruchvolle Technisierung der Waffensysteme und die Anforderungen des unerwartet lange dauernden Krieges führten jedoch zu immer engerer Zusammenarbeit der Militärs mit der Wirtschaft.
Ein eklatanter Fall war die deutsche Chemie-Industrie, die seit Ende des 19. Jahrhundertes dank herausragender Forscher weltweit eine bedeutende Rolle spielte. Schon 1915 bewahrte sie das Kaiserreich vor der Kapitulation, als der Reichwehr die Munition ausging, weil die Entente die Versorgung mit Salpeter unterbrochen hatte, der für die Herstellung von Schießpulver und Sprengstoffen unverzichtbar war. Eine Lösung versprach die Ammoniaksynthese, die die Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch schon vor dem Krieg entwickelt hatten. Das bahnbrechende Verfahren ermöglichte erstmals die Massenproduktion von Kunstdünger - eine Revolution für die Landwirtschaft - und ließ sich auch zur Erzeugung von Salpetersäure nutzen. Nach einer Absprache zwischen Militär, chemischer Industrie und Wissenschaft wurden bei der BASF, bereits ein führender Chemiekonzern, auf Staatskosten die entsprechenden großtechnischen Anlagen gebaut: Der Krieg konnte weitergehen - und die BASF stieg in den zwanziger Jahren zum weltgrößten Dünger-Erzeuger auf.
In einer ähnlichen konzertierten Aktion begann das Deutsche Reich die Giftgas-Produktion. Der erste Angriff mit Chlorgas fand 1915 bei Ypern in Flandern statt, zu den Initiatoren zählten erneut Fritz Haber und von Industrieseite Carl Duisberg, der Generaldirektor der Bayer-Werke. Aus Habers Institut kamen weitere Arten von Giftgas, die Entente zog nach und bestellte in ihren Chemiewerken das gleiche Kampfmittel. Zudem brauchten beide Seiten Chemiker, um Ersatz für Stoffe zu finden, von denen sie abgeschnitten waren: Der Entente fehlten vor allem chemische und optische Waren, den Mittelmächten Rohstoffe. So bekam die chemische Industrie eine völlig neue militärische Bedeutung – ein erster Hinweis darauf, dass die Stahlhersteller ihre beherrschende Position in der Rüstungsindustrie verlieren sollten. Zum Arsenal des Ersten Weltkriegs steuerten sie – neben immer größeren, schwer gepanzerten Schlachtschiffen – noch den ersten Panzer bei, 1915 in Großbritannien auf der Basis eines zivilen Kettenfahrzeugs, des amerikanischen "Caterpillars", entwickelt. Da das Militär in der Regel aber zurückhaltend auf technische Neuerungen reagierte, setzten sich radikale Innovationen wie Flugzeuge und auch U-Boote nur zögerlich durch und entfalteten erst im Zweiten Weltkrieg ihre volle militärische Wirkung.
Waren in den ersten beiden "industrialisierten" Kriegen Innovationen ziviler Industrien militärisch verwertet worden, kehrte sich die Entwicklung im Zweiten Weltkrieg um. Viele bahnbrechende Neuerungen, die heute massenhaft für den zivilen Markt produziert werden, entstanden in den späten dreißiger und den vierziger Jahren in militärischem Kontext. 1939, kurz vor Kriegsausbruch, hob das erste Flugzeug mit Düsen- oder Strahltriebwerk ab, ein Jäger der deutschen Firma Heinkel. Das Prinzip, den Antrieb durch einen Strahl angesaugter und verdichteter Luft, übertrug die britische Firma De Havilland 1949 erstmals serienmäßig auf eine Passagiermaschine. Raketen dagegen saugen keine Umgebungsluft an, sondern haben Brenn- und Sauerstoff an Bord. Diese Technik versuchten Wissenschaftler in den zwanziger Jahren für zivile Zwecke praxisreif zu machen, doch Ende der Dreißiger ging die Forschung ans Militär über. Umgesetzt wurde das Prinzip dann erstmals 1944 in der deutschen "V-2".
Auch das Radar, heute Standard für viele zivile Nutzungen, entstand in den dreißiger Jahren aus militärischen Gründen. 1937 sandte in Großbritannien die erste Bodenstation elektromagnetische Wellen aus, mit denen man einfliegende Flugzeuge akustisch orten konnte. Die optimale Platzierung der Anlagen ermittelten britische Wissenschaftler mithilfe eines neuen Planungssystems namens "Operational Research", das Methoden der Mathematik, Informatik und Wirtschaftswissenschaft vereinigt und ebenfalls in den zivilen Sektor herüber gewandert ist. Auch die Anfänge der Computer-Technologie, vor allem in den USA, stehen in diesem Zusammenhang: Die Rüstungsproduktion hatte sich von der engen Welt der Bronze- und Eisengießer zu einem branchen-übergreifenden, interdisziplinären Wirtschaftszweig gewandelt.
Eine Sonderentwicklung war die Verlagerung kriegswichtiger deutscher Industriebetriebe unter die Erde: Um sie vor alliierten Bombardements zu schützen, ließ Hitler vor allem Fabriken für Flugzeuge, synthetisches Benzin und die neuen Flugkörper "V-1" und "V-2" in alte Bergwerke und Tunnels verlegen. Beim forcierten Ausbau der unterirdischen Anlagen kamen viele Tausende der bevorzugt eingesetzten KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter zu Tode. Einzelne Werke der Flugzeugindustrie wurden auch in Großbritannien unter die Erde verlagert, angesichts des Aufwands zog man hier aber vor, zum Schutz vor Bombardierungen große Fabrikkomplexe zu dezentralisieren.
Im Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Industrie stärker zu einem Lieferanten von Kriegsmaterial als je zuvor, da es zunehmend darum ging, die Produktion auf schnellen Nachschub an den oft hochtechnisierten Waffensystemen umzustellen. Die Entscheidungen über Forschung und Fertigung verlagerten sich noch mehr als im Ersten Weltkrieg an gemeinsame Institutionen von Staat und Militär, Industrie und Wissenschaft. Das totalitäre System des deutschen Nationalsozialismus erzeugte allerdings eine Fülle konkurrierender Institutionen und unklarer Zuständigkeiten, die eine effiziente Kriegswirtschaft erheblich behinderten. Dagegen ist vor allem in den USA die Zusammenarbeit zu einem "Militärisch-Industriellen Komplex" perfektioniert worden, der bald eine oft beklagte Eigendynamik entwickelte. Die klassischen, mächtigen Rüstungskonzerne wie Vickers und Krupp dagegen sind verschwunden.
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