Stumm überragen zwei Fördertürme die Backsteingiebel der belgischen Zeche Le Bois de Cazier bei Charleroi. Die mittlerweile stillgelegte Grube erlebte im August 1956 einen der tragischsten Unfälle der europäischen Bergbaugeschichte. Die traurige Bilanz: 262 Tote. Das Unglück nimmt einen zentralen Platz im heute hier eingerichteten Zechenmuseum ein. Um die Tragödie herum entwerfen Waschkaue, Duschbäder und Fördermaschinenanlagen das Bild einer Region, deren Kohlevorräte zahllose Eisen- und Stahlwerke, Glashütten und Chemiefabriken antrieben. Auf die Besucher warten original erhaltene Generatoren, Gebläsemaschinen, eine elektrische Straßenbahn anno 1904, sogar ein komplettes Blechwalzwerk aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Museum erzählt von Menschen, die aus ganz Europa hierher zogen, um unter harten und zum Teil lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen ihr Brot zu verdienen. Ein moderner Neubau widmet sich speziell der Geschichte der Glasherstellung, während eine Halle mit dröhnenden Fallhämmern, fauchenden Feuerstellen und funktionstüchtigen Werkzeugmaschinen historische Schmiede- und Gusstechniken demonstriert. Drei renaturierte Halden versprechen erholsame Spaziergänge in der Umgebung der Zeche.
Welterbe Bergwerk Le Bois du Cazier
Rue de Cazier 80
6001 Marcinelle
Belgien
+32 (0) 71 - 880856
Homepage
Um 8 Uhr 10 am 8. August 1956 nahm das Unglück seinen Lauf. Ein Lastenaufzug, der nicht richtig beladen worden war, riss mit einer überhängenden Kohlelore Elektrokabel und eine Ölleitung mit sich und verursachte ein Feuer, das sich in Sekundenschnelle über sämtliche Stollenanlagen des Bergwerks ausbreitete. 136 Italiener, 95 Belgier und 31 Bergleute anderer Nationalität verloren ihr Leben. Kaum einen Monat später beschloss die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) eine umfassende Überarbeitung der Sicherheitsvorschriften in Bergwerksbetrieben.
Nicht nur damit weist die Tragödie von Marcinelle weit über die Grenzen der Region hinaus. So wie die Montanunion als wichtiger Schritt auf dem Weg zur europäischen Einigung gilt, so versinnbildlicht die Zeche Le Bois de Cazier die zutiefst europäische Dimension des Bergbaus jener Zeit. Bergleute aus nicht weniger als 12 Nationen fielen dem Grubenunglück von 1956 zum Opfer. Das Museum gedenkt ihrer mit großformatigen Portraitfotos sowie mit einer Allee der Erinnerung, die typische Baumarten aus den zwölf betroffenen Ländern in sich vereinigt. Diese Internationalität macht zugleich deutlich, bis zu welchem Ausmaß Wanderarbeiter das Gesicht Nachkriegseuropas prägten. Die 1922 gegründete Grube Le Bois de Cazier bildete darin keine Ausnahme. Mit ihrer Lage im Herzen von Wallonien war sie Teil einer Industrieregion, die 1956 rund 25.000 Bergleute unterschiedlichster Herkunft zählte und zu deren Produktpalette neben Eisen und Stahl auch industriell gefertigte Glas- und Chemieerzeugnisse gehörten. Le Bois de Cazier selbst förderte im Unglücksjahr mit 779 Beschäftigten rund 170.000 Tonnen Kohle.
Doch der Strukturwandel hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Bereits 1967 war die Schließung der Zeche besiegelt. 1990 wurden die größtenteils erhaltenen Tagesanlagen unter Denkmalschutz gestellt und in den Folgejahren zum Museum umgebaut. Drei heute begrünte Schlackehalden bieten weite Blicke über die einstige Industrielandschaft um Charleroi. 2012 wurde das Bergwerk als einer der vier 'Großen Bergbaustandorte der Wallonie' in die Unesco-Welterbeliste aufgenommen.
Eintritt: | kostenpflichtig |
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Barrierefreier Zugang: | bitte Hinweise auf Webseite beachten |
Museumsshop: | ja |
Dienstag - Freitag 09.00-17.00 Uhr
Samstag, Sonntag 10.00-18.00 Uhr