Haus der Kultur

Waldkraiburg im Kreis Mühldorf-am-Inn in Südbayern ist wie Hermoupolis auf der griechischen Insel Syros eine Stadt, in der ursprünglich mittellose Flüchtlinge innerhalb von Jahrzehnten florierende Gewerbe aufbauten. In den späten 1930er Jahren gründete das auf Rüstungsaufträge spezialisierte Unternehmen Chemie GmbH hier eine Pulverfabrik, das "Werk Kraiburg" in der Nähe des gleichnamigen Dorfes, jedoch abgeschirmt vor der Öffentlichkeit in einem Waldgebiet, außerdem gut getarnt vor Aufklärungsflugzeugen und mit guten Zugverbindungen zum restlichen Deutschland. Während des Zweiten Weltkriegs bestand die Fabrik aus rund 500 isolierten Bunkern zur Herstellung von Gefahrenstoffen und beschäftigte 2.500 Menschen, darunter viele Zwangsarbeiter. Eine Fabrik im nahegelegenen Aschau-am-Inn lieferte das Cellulosenitrat, das in Kraiburg als einer der Ausgangsstoffe Verwendung fand.

Nach dem Ende des Krieges entstand in den Gebäuden der ehemaligen Sprengstofffabrik das Flüchtlingslager Pürten, das große Mengen an Flüchtlingen aus Südost- und Osteuropa aufnahm sowie viele Sudetendeutsche, die aus ihrer Heimat in Nordböhmen vertrieben worden waren. Viele dieser Neuankömmlinge suchten nach Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und begannen mit der klassischen Beschäftigung von Kriegsgefangenen – dem Schnitzen von Kinderspielzeug aus dem reichlich vorhandenen Holz der umgebenden Wälder. Einige Sudetendeutsche gründeten Glashütten und setzten damit die Tradition der böhmischen Glasherstellung fort. Andere fassten in neuen Gewerben Fuß, etwa in der Plastikproduktion.

1950 wurde die neue Gemeinde Waldkraiburg gegründet, und während der folgenden Jahrzehnte entwickelte sie die typischen Merkmale einer Kleinstadt mit öffentlichen und privaten Bereichen, Schulen und einem Krankenhaus. Das örtliche Haus der Kultur ist der Ort, an dem die ungewöhnliche Geschichte der Gemeinde erzählt wird. Es besteht aus insgesamt vier Museen. Das Stadtmuseum erinnert daran, wie die Flüchtlinge in das Lager Pürten kamen und versuchten, im Bayerischen Wald ein Auskommen zu finden. Das Glasmuseum spiegelt die Traditionen der böhmischen Glasbläser wieder, die es nach ihrer Vertreibung aus dem Sudetenland hierher verschlagen hatte. Die meisten der 800 Exponate sind nordböhmische Produkte des 18. und 19. Jahrhunderts, darunter einige besonders feine Exemplare aus der Biedermeierzeit sowie Werke des bekannten Glasmalers Friedrich Egerman (1777-1860). Die Heimatstube der Adlergebirge veranschaulicht das Leben in der Region vor dem Zweiten Weltkrieg und präsentiert traditionelle Textilien (unter anderem Stickereien) sowie Gemälde und Handwerksprodukte. Hier befinden sich auch die Archive des Freundeskreises "Sudetendeutscher Wandervogel". Das vierte Museum im Haus der Kultur ist der Feuerwehr gewidmet.

Ein weiteres Museum, das Industriemuseum "Bunker 29", ist in einem original erhaltenen Gebäude der Pulverfabrik von 1940 am Schweidnitzer Weg 6 eingerichtet. Es zeigt die Arbeitsbedingungen der Sprengstoffherstellung und geht auf die Ankunft der Flüchtlinge in den späten 1940er Jahren ein. Am Beispiel eines Kunststoffunternehmens veranschaulicht es die friedliche Umnutzung der Bunker für neue Industriezweige. Bunker 29 ist die vierte von insgesamt 18 Stationen auf einem Erkundungsweg, der am Haus der Kultur beginnt und zu den historischen Gebäuden Waldkraiburgs führt.

Haus der Kultur
Haus der Kultur
Braunauerstrasse 10
84478 Waldkraiburg
Deutschland
+49 (0) 8638 - 959313
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