Nationales Informatikmuseum

Nur wenige Zentren der Kriegsführung hatten einen ähnlichen Einfluss auf die langfristige Industrieentwicklung wie Bletchley Park, ein Herrenhaus nahe einer Eisenbahnkreuzung, 60 Meilen nördlich von London und heute verwaltungstechnisch der neuen Stadt Milton Keynes zugeordnet.

1938 entschied die britische Regierung, ihre Code- und Dechiffrierschule von London nach Bletchley Park zu verlegen, wo die ersten Dechiffrierer im August 1939 ihre Arbeit aufnahmen. Die vielfachen Aktivitäten, die hier stattfanden, sind der Öffentlichkeit bis heute nicht vollständig bekannt. Der erste bedeutende Erfolg war die Entwicklung einer Methode, um den deutschen Geheimcode Enigma zu entschlüsseln. Dabei konnten die britischen Experten auf der Arbeit polnischer Mathematiker aufbauen, die in den Besitz einer Enigma-Maschine gelangt waren. Alan Turing (1912-54) und Gordon Welchman (1906-85) entwickelten eine elektromechanische Maschine namens Bombe, die der Arbeitsweise der Enigma-Maschine auf die Spur kam. Die auf diese Weise erlangten Geheimdienstinformationen trugen wesentlich zu den Kriegserfolgen der Alliierten bei. Über 200 Maschinen dieser Art wurden gebaut, jedoch nach 1945 wieder zerstört.Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Bletchley Park in staatlichem Besitz und diente als Fortbildungsstätte für Lehrer, Techniker der Post und Fluglotsen. Seine kriegsentscheidende Bedeutung kristallisierte sich erst seit den 1970er Jahren heraus und machte es erforderlich, einen erheblichen Teil der Militärgeschichte des Zweiten Weltkriegs neu zu bewerten. 1991 organisierte die Archäologische und Geschichtliche Gesellschaft von Bletchley ein Treffen von Kriegsveteranen, die ehemals auf dem Gelände als Dechiffrierer tätig waren. Schnell wurde klar, dass ein großes Interesse daran bestand, die Gebäude zu erhalten und die Bedeutung dessen, was sich dort zwischen 1939 und 1945 abgespielt hatte, publik zu machen. Die 1992 gegründete Bletchley-Park-Stiftung erlangte 1999 einen langfristigen Mietvertrag des Grundstückes. Seit 2004 ist das Museum täglich geöffnet und präsentiert sowohl einen Nachbau der von Turing entwickelten "Bombe" als auch diverse Enigma-Maschinen.

Das Staatliche Informatikmuseum, das 2009 in Bletchley Park seine Tore öffnete, bezeichnet eine weitere gemeinnützige Stiftung, den Codes & Cyphers Heritage Trust. Herausragendes Ausstellungsobjekt ist die 2007 fertiggestellte betriebsfähige Replik eines Colossus-Computers. Colossus wurde entwickelt, um Nachrichten von der Lorenz- (oder Tunny-) Maschine, auch als Geheimschreiber bekannt, zu decodieren. Mithilfe dieser Maschine kommunizierte Adolf Hitler mit den in ganz Europa verteilten militärischen Führungsstäben der deutschen Streitkräfte. 1941 gelang es dem erfahrenen Dechiffrierer Tiltman (1894-1982) erstmals, den Code in Handarbeit zu knacken, doch wurden die Verschlüsselungen in der Folgezeit immer komplexer, sodass ihre Entzifferung eine erhöhte Rechenleistung erforderte. Dr. Max Newman (1897-1984) leitete die Abteilung, die eine geeignete Maschine entwickeln sollte. Die Lösung in Form von Colossus gelang jedoch Tommy Flowers (1905-1998). Er baute die Maschine in der Londoner Forschungsabteilung der Post in Dollis Hill, wo er vor dem Krieg angestellt war.Im Dezember 1943 traf die erste Colossus-Maschine in Bletchley Park ein, am 1. Juni 1944 gefolgt von einem zweiten Exemplar. Am Ende waren zehn dieser Maschinen auf dem Gelände im Einsatz. Nach dem Krieg, so wird vermutet, gingen zwei Exemplare an die Zentrale des Nachrichtendienstes für Kryptographie, Datenübertragung und Fernmeldeaufklärung (GCHQ – Government Communications Head Quarters) in Cheltenham, die übrigen wurden zerstört. Die Entwicklung von Colossus wie auch andere Kriegsunternehmungen in Bletchley Park blieben bis in die 1970er Jahre geheim. Heute gilt Colossus als der erste digitale und in jeder Hinsicht programmierbare Computer. Seine Größe erklärt sich aus Tausenden von Elektronenröhren, die seinen Betrieb gewährleisteten. Das Informatikmuseum illustriert die Entwicklung des Computers von Colossus bis in die Gegenwart.

Nationales Informatikmuseum
Block H
Bletchley Park
MK3 6EB Milton Keynes
Vereinigtes Königreich
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