Kaum jemand kann sich heute noch vorstellen, wie komplex die Herstellung von Rohfilmen einmal war. Eine Führung im Industrie- und Filmmuseum Wolfen ändert schlagartig die Perspektive: Hier erleben Besucher die harten Temperatur- und Lichtbedingungen hautnah – an Originalmaschinen, die der Welt 1936 den ersten marktfähigen Farbfilm schenkten. Der Standort beherbergt den kompletten Herstellungsprozess: von der Produktion der Folie über die Rezeptur der lichtempfindlichen Emulsion und das anschließende Begießen und Trocknen bis hin zur Filmkonfektionierung. Den Anfang macht eine Gießmaschine anno 1930, die die dünne Schichtträgerfolie erzeugte. Die aus bis zu 50 verschiedenen Stoffen hergestellte Emulsion, deren Zusammensetzung streng geheim war, erhält im ehemals komplett abgedunkelten Schmelzraum den letzten Schliff, bevor eine weitere Begießmaschine sie im Tauchverfahren auf den Schichtträger aufträgt. Ein anstrengender Arbeitsplatz war auch der anschließende Trockentunnel mit Temperaturen zwischen 8 und 40 Grad Celsius. Am Ende des Rundgangs ist klar: Hier wurde nicht nur Filmgeschichte geschrieben, sondern auch Präzisionsarbeit unter schwierigsten Bedingungen geleistet.
Industrie- und Filmmuseum
Chemiepark Bitterfeld-Wolfen
Areal A
Bunsenstr. 4
06766 Bitterfeld-Wolfen
Kreis Anhalt-Bitterfeld
Deutschland
+49 (0) 3494 - 636446
Homepage
„Frauen sind doch bessere Diplomaten“: So hieß der Kostümstreifen, der 1941 – mitten im Krieg – Tausende Kinogänger in Deutschland begeisterte. Der eigentliche Star der seichten Unterhaltungsklamotte war jedoch nicht Marika Rökk, sondern das neuartige Agfacolor-Herstellungsverfahren. Was da über die Leinwände flimmerte, gilt als der erste in Farbe gedrehte Spielfilm des deutschen Kinos.
Solche Geschichten erzählt das Industrie- und Filmmuseum Wolfen zuhauf. Wer die einst zweitgrößte Filmfabrik der Welt betritt, gerät unversehens auf eine Zeitreise durch die Foto- und Filmtechnik des 20. Jahrhunderts. Das beginnt mit dem Gebäude selbst, 1909 von der Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation (AGFA) errichtet und fortan für eine breite Produktpalette genutzt, die neben Kino- und Fotofilmen auch Röntgen-, Schmal- und Fliegerfilme sowie druckgraphische Filme umfasste. An der noch erhaltenen Begießmaschine gossen Wolfener Filmwerker 1936 den weltweit ersten massentauglichen Mehrschichtenfarbfilm – und läuteten damit das Zeitalter der Farbfotografie für Jedermann ein. Die glückliche Kombination von Originalmaschinen und -standort erlaubt es dem Museum, Produktionsprozesse und Arbeitsatmosphäre auf eindringliche Weise anschaulich zu machen. Weiß geflieste Räume zum Aufschmelzen der Emulsion und lange Dunkelgänge zum Transport des lichtempfindlichen Filmmaterials entführen den Besucher in eine Welt, die von Filmklamotten à la Marika Rökk Lichtjahre entfernt scheint. Seit 1964 nannte Wolfen, nun in der DDR, seine Filmerzeugnisse ORWO (Original Wolfen). Nach der deutschen Wiedervereinigung musste die Filmfabrik Wolfen schließen, doch gingen aus ihr neue Firmen hervor, die bis heute Filme herstellen. 1993 eröffnete das Industrie- und Filmmuseum und gewährleistete so den Erhalt der ältesten Begießmaschine weltweit. Die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der ORWO-Produkte dokumentiert eine beachtliche Kamerasammlung. Zusätzlich zeichnet eine multimediale Ausstellung die Entwicklung der Region Bitterfeld-Wolfen von einer Agrarlandschaft zu einem Zentrum der Chemieindustrie nach.
Empfohlene Aufenthaltsdauer: | 1,5 Stunden |
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Eintritt: | kostenpflichtig |
Barrierefreier Zugang: | bitte Hinweise auf Webseite beachten |
Angebote für Kinder: | |
Museumsshop: | ja |
Dienstag - Sonntag 10.00-16.00 Uhr