Gressenhall Farm & Workhouse

Das riesige “Haus der Industrie” in Gressenhall aus dem Jahr 1775 war ursprünglich als Auffangbecken für arme Landbewohner gedacht, die anderswo weder Unterkunft noch Arbeit fanden. Seit 1834 diente es als klassisches Armen- bzw. Arbeitshaus, eine bekannte Erscheinung im Großbritannien des 19. Jahrhunderts und als solche in den Romanen von Charles Dickens unsterblich gemacht. Heute bekommen Besucher einen Einblick in jene Räume, in denen die Bewohner des Hauses Garn spinnen oder Wolle zurichten mussten für die Weiterverarbeitung in Norwich. Die noch betriebene Union Farm gibt darüber hinaus einen Eindruck von der Arbeit der Armenhäusler im Gemüseanbau. In den Ausstellungshallen erzählen gewaltige Erntemaschinen und Informationstafeln die vielfach gerühmte Geschichte der landwirtschaftlichen Revolution in Norfolk. Neben den beeindruckenden Dampfmaschinen und Dieselmotoren wird zugleich die unangenehme Erinnerung an die bestürzende ländliche Armut jener Zeit wach gehalten.

Überhaupt war die Armut der arbeitenden Klasse ein bedeutendes Problem der Industriellen Revolution im Gebiet von Norfolk. Die protektionistische Politik der Regierungen bescherte wenigen Reichtum und stürzte die Masse in Mittellosigkeit und Hunger. Die wirtschaftliche Entwicklung verschärfte noch die Notsituation der ländlichen Bevölkerung. Viele sahen keine andere Möglichkeit, als in den Städten eine Beschäftigung zu suchen. Wer damit erfolglos blieb, landete in Gressenhall. 1801 zählte das Haus 670 Bewohner. Ein neues Armengesetz von 1834 beabsichtigte, mehr Menschen dazu zu bringen, sich eine reguläre Arbeit zu suchen. In diesem Zusammenhang wurde das Haus der Industrie zu einem Armenhaus umgebaut, dessen schlimme Lebensbedingungen alle Arbeitsfähigen abschrecken sollte, dort anzuklopfen. Eheleute etwa wurden voneinander getrennt. „Frauen mit schlechtem Charakter“ wurden ausgesondert und abseits von den anderen untergebracht. Eine neue Mauer wuchs um das Haus empor, es kam zu Strukturänderungen und die Zahl der Bewohner fiel drastisch. Die allgemeine Notlage änderte sich jedoch erst mit der Aufhebung der Getreidegesetze (Corn Laws) 1846, die eine Senkung der Brotpreise zur Folge hatte. Obwohl sich die Lebensbedingungen im späteren 19. Jahrhundert allmählich verbesserten, blieb Gressenhall noch bis 1929 in Betrieb. Erst damals wurde die lokale Verwaltungsebene der Armenhäuser (Boards of Guardians) aufgelöst. 1949 schließlich endete die britische Armengesetzgebung mit der Verabschiedung des staatlichen Fürsorgegesetzes (National Assistance Act).

Die einzigen, die von den Armenhäusern profitiert hatten, waren Kinder. Sie erhielten eine insgesamt dürftige, aber doch fortschrittliche Ausbildung. Heute sind all diese schrecklichen Zustände in Gressenhall Vergangenheit, und Gruppen von Schulkindern lauschen aufmerksam den geschichtlichen Lehrstunden, während Ehepaare ganz ungezwungen essen oder sich im Haus bewegen können, ohne Angst vor ungewollter Trennung haben zu müssen.

Gressenhall Farm & Workhouse
Gressenhall
NR20 4DR Dereham, Norfolk
Norfolk
East of England
Vereinigtes Königreich
+44 (0) 1362 - 860563
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