Isambard Kingdom Brunel (1806–59)

Isambard Kingdom Brunel war die einfallsreichste Persönlichkeit des goldenen britischen Ingenieurzeitalters. Er kam als Sohn von Sir Marc Isambard Brunel (1769-1849) zur Welt. Der Vater, gebürtig aus der Normandie, hatte in der französischen Armee gedient, war Royalist und emigrierte mit Ausbruch der Revolutionskriege 1793 in die USA. 1799 ließ er sich in England nieder. Zwischen 1805 und 1812 errichtete er in den Dockanlagen von Portsmouth, der Geburtstadt von I. K. Brunel, ein wirtschaftlich florierendes Werk zur Produktion von Seilrollen (Taljen) für Schiffstakelagen.

Der jüngere Brunel zeigte bereits früh Talent im Zeichnen und Rechnen. Nach dem Besuch einer Privatschule in London studierte er ab 1822 für drei Jahre in Frankreich, wo er Geschmack an ägyptisierender Architektur fand. Nach seiner Rückkehr nach England arbeitete er im Auftrag seines Vaters am Bau des Themsetunnels in Ost-London und verletzte sich schwer, als es am 12. Januar 1828 auf der Baustelle zu einem Wassereinbruch kam. Während seiner Genesung in Clifton lernte er führende Persönlichkeiten aus Bristol kennen, einer Stadt, zu der er für den Rest seines Lebens enge Beziehungen pflegte.

1829 wurde er assoziiertes Mitglied in der Institution of Civil Engineers (Berufsverband britischer Ingenieure), 1837 erlangte er dort die Vollmitgliedschaft. Während der frühen 1830er Jahre suchte er Arbeit in verschiedenen Bauvorhaben in Nordostengland, doch war er hauptsächlich mit der Verbesserung der Docks von Bristol beschäftigt.

Seit 1833 war er an einem Projekt beteiligt, das schon bald als Great Western Railway bekannt werden sollte und zum Ziel hatte, Bristol und London per Schiene miteinander zu verbinden. Von einem Londoner Büro aus wirkte er mit darauf ein, dass die geplante Eisenbahnstrecke die notwendigen gesetzgeberischen Hürden überwand und die erforderlichen parlamentarischen Ausschüsse passierte. Am 29. Oktober 1835 kam das Direktorium des Unternehmens überein, für die neue Bahnlinie die große Spurweite von 2,14 m (7 ft 0 ? inches) zu wählen. Die Hauptstrecke der Great Western Railway wurde 1841 fertig gestellt. Der Künstler John Cook Bourne verewigte sie in einer Sammlung von Stichen. Seit 1840 war Brunel verantwortlich für den Bau des firmeneigenen Konstruktionswerks in Swindon. Viele der frühen Werksgebäude sind noch vorhanden und dienen heute als Sitz der britischen Denkmalbehörde English Heritage. Ähnliches gilt für die nahe gelegene, 1854 abgeschlossene Werkssiedlung, deren Häuser Brunels Entwürfen folgen.

Die große Spurweite bot in technischer Hinsicht viele Vorteile, erwies sich aber als Hindernis für die Entwicklung eines landesweiten Eisenbahnnetzes. 1854 erreichte die Great Western Railway im Norden Wolverhampton, doch musste die Spurweite dort aus Anpassungsgründen innerhalb der folgenden beiden Jahrzehnte auf ein schmaleres Maß reduziert werden. Auf den Strecken Richtung Westen dagegen blieb die große Spurweite noch bis weit nach Brunels Tod bestehen, so dass die Verbindung London-Penzance erst 1892 die schmalere Standardbreite erhielt. Nach Devon und Cornwall führte die Great Western über Subunternehmen, für die Brunel als Ingenieur tätig war. In dieser Funktion führte er zwischen Exeter und Plymouth in Süd-Devon das so genannte atmosphärische Antriebssystem (Zugkraft mittels Vakuumpumpen) ein, das 1847-48 zwischen Exeter und Newton Abbot für kurze Zeit zur Anwendung kam, aber bald wieder aufgegeben wurde.

Brunel gilt als Großbritanniens begabtester Vertreter der Holzbauweise. Seine Eisenbahnstrecken führte er über mehr als 50 hölzerne Viadukte, die mit der Zeit sämtlich Nachfolgeexemplaren aus Stahl weichen mussten – das letzte von ihnen 1934. Eines von Brunels bemerkenswertesten Bauwerken war die Royal Albert Bridge, auf der die Cornwall Railway das Flussbett des Tamar westlich von Plymouth überquerte.

Zu Wasser führte Brunel der Welt vor, welches Potential großen Dampfschiffen aus Eisen innewohnte. Noch aus Holz entwarf er den Raddampfer Great Western, ein 2.300 Tonnen schweres Schiff, das regelmäßig zwischen Bristol und den USA verkehren sollte und seine Jungfernfahrt 1838 absolvierte. Danach baute er die sehr viel größere SS Great Britain, das erste große, per Schraube angetriebene Eisenschiff, dass die Bristoler Docks verließ. 1845 stach es von Liverpool erstmals in See Richtung New York, strandete jedoch bereits 1846 an der Küste Nordirlands und trieb die Reederei in den Bankrott. Die SS Great Britain ist heute in Bristol zu sehen.

Die noch viel größere, 32.000 Tonnen schwere SS Great Britain, die im Auftrag von Brunel zwischen 1854 und 1858 in London entstand, war Anlass vieler Probleme. Tatsächlich erwies sich das ehrgeizige Projekt als finanzielles Desaster, auch wenn das Schiff erfolgreich als Kabelleger für Überseekabel zum Einsatz kam, bevor es 1888 verschrottet wurde.

Brunel starb am 15. September 1859. Zwei Jahre zuvor hatte er noch die Errichtung des ersten Trägers der Royal Albert Bridge beaufsichtigt, war danach aber zu krank, um auch noch bei der Installierung des zweiten Trägers im Juli 1858 dabei zu sein und die offizielle Eröffnung des Bauwerks im Mai 1859 mitzuerleben. Ein anderes seiner Projekte, der Bau einer Hängebrücke über die Avon Gorge in Clifton, wurde nach seinem Tod wieder aufgenommen. Die Brücke feierte 1865 Eröffnung.

Viele von Brunels Bauvorhaben kosteten deutlich mehr als in seinen Schätzungen veranschlagt. Seine Anwendung des atmosphärischen Antriebssystems erwies sich binnen kurzem als verhängnisvoll, und auch die Entscheidung für die große Spurweite war letztlich ein Fehlgriff. Dennoch war er einer der kreativsten Ingenieure seiner Zeit. Sir Daniel Gooch, einer seiner engsten Kollegen und Weggenossen, fasst seine Karriere in treffenden Worten zusammen: „Der größte unter Englands Ingenieuren … der Mann mit den originellsten Ideen und einer enormen Durchsetzungskraft, kühn in seinen Plänen, aber auf dem richtigen Weg. Die Wirtschaftswelt hielt ihn für extravagant, und das war er auch, aber wirklich Großes schaffen eben nicht jene, die sich hinsetzen und feinsäuberlich die Kosten jedes einzelnen Gedankens und jeder Handlung durchspielen“.